Dr. Carina Kögler ist Leiterin der Planung Produktion bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG.
Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

„Wir sind nicht das Zentrum der Welt in Deutschland. Wir können alle mit- und voneinander lernen“

Dr. Carina Kögler, Leiterin der Planung Produktion bei Porsche, im Gespräch mit der „keep in touch“

Dr. Carina Kögler ist seit September 2023 Leiterin der Planung Produktion bei der Porsche AG. Davor war sie verantwortlich für den Bereich Corporate Protection und Real Estate bei der Audi AG. Als Kopf der Planung Produktion hat sie mit ihrem Team die verantwortungsvolle Aufgabe, neue Fahrzeuge von der Konzeption bis hin zur Serienproduktion zu begleiten. Im Gespräch mit der „keep in touch“ erläutert sie ihre täglichen Aufgaben, erzählt von ihrem beruflichen Werdegang, von Herausforderungen bei der Produktionsplanung zukünftiger Modelle und von schönen Momenten während des Studiums.

Ihr Ingenieurs-Studium mit anschließender Promotion absolvierte Carina Kögler von 1984 bis 1995 an der RWTH Aachen im Studiengang Metallurgie und Werkstofftechnik am Institut für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling (IME).

Liebe Frau Kögler, Sie sind seit September 2023 Leiterin der Planung Produktion bei Porsche. Was genau bedeutet „Planung Produktion“? Und wo liegen Ihre konkreten Aufgaben?

Wir sind in der Produktionsplanung zuständig für die Konzeption der Fertigungsprozesse und die fertigungsgerechte Gestaltung der künftigen Fahrzeuge. Dabei beeinflussen wir unsere Produkte während des Entwicklungsprozesses, um eine Integration in unsere Porsche Werke Stuttgart-Zuffenhausen und Leipzig, sowie die VW-Konzernwerke Bratislava und Osnabrück möglichst effizient zu gestalten. Dazu sind wir im ständigen Austausch mit verschiedenen Abteilungen des Unternehmens wie etwa der Entwicklung.

Die Fach- und Bereichs-übergreifende Zusammenarbeit ist dabei entscheidend. Denn die Erarbeitung von Produktionskonzepten funktioniert nur gemeinsam mit Kolleg*innen aus anderen Fachbereichen. Erstmal gibt es Entwickler*innen, die die neuen Fahrzeuge designen und die entsprechenden Fahrzeug-Technologien dafür festlegen. Dabei werden – gemeinsam mit dem Vertrieb – verschiedene Produkt-Eigenschaften definiert, wie etwa die gewünschten Fahreigenschaften, die Performance des Autos, oder das Design der Fahrzeuge. Die Kolleg*innen aus dem Vertrieb legen fest, für welche Zielgruppe ein neues Modell geeignet ist und wie viele Autos verkauft werden sollen. Nach diesen Angaben legen wir zum Beispiel die Größe der Produktionsanlagen fest und mit welcher Montage-Reihenfolge die Fahrzeuge aus ihren einzelnen Bauteilen komplettiert werden. Das Zusammenspiel all dieser Beteiligten ist sehr wichtig, gleichzeitig erfordert es viel Koordinations- und Kommunikationsarbeit. Von der ersten Idee, bis hin zur Realisierung eines Autos in der Serienproduktion, sind wir in meiner Abteilung involviert und behalten dabei Technik, Fertigung, Kosten, Logistik und die Terminschiene im Blick.

Bei Porsche finde ich besonders die Bandbreite spannend, die wir mit unseren Produkten bedienen. Einerseits entwickeln wir die Sport-Ikone, den Porsche 911er, immer weiter. Aber wir haben unsere Produktpalette auch um sportliche Limousinen erweitert. Und natürlich ist heute auch das Thema Nachhaltigkeit wichtig: So bauen wir bereits seit 2019 das Elektromodell Taycan an unserem Heimatstandort Zuffenhausen.

Werden die Fertigungsanlagen von Ihnen auch besucht? Oder wie kann man sich einen typischen Arbeitstag bei Ihnen vorstellen?

Eigentlich wäre ich am liebsten die ganze Zeit vor Ort in der Produktion. Den Großteil meiner Arbeitszeit verbringe ich tatsächlich mit der Planung und Abstimmung von Produktionsanlagen mit anderen Abteilungen des Unternehmens. Einen großen Teil meines Arbeitslebens war ich für direkte Fertigungsabteilungen zuständig und war dabei täglich vor Ort in der Produktion. Das würde ich sehr gerne heute immer noch machen, aber das lässt meine konkrete Aufgabe leider nicht mehr zu.

Ich glaube, es ist aber eine wichtige Basis für die Themen, die wir bearbeiten, dass man Verständnis dafür hat, was in der Fertigung überhaupt realisierbar ist. Wenn man bei der Planung einer Anlage immer nur vor dem Rechner sitzen würde, hätte man kein Gefühl für das Machbare. Insofern ist der enge Kontakt zur Fertigung sehr wichtig. In meiner heutigen Funktion vertrete ich die Produktion in diversen Gremien, wo mir meine jahrelange Erfahrung in der Produktion sehr zugute kommt.

Ich halte es daher für sehr wichtig, dass junge Leute, die frisch von der Uni kommen, möglichst viel Praxiserfahrung in der Fertigung sammeln, um später auch gute Konzepte ausarbeiten zu können.

Haben Sie in Ihrer aktuellen Position noch Anknüpfungspunkte an die RWTH?

Ja, ich habe noch privaten Kontakt zu einigen Kommiliton*innen. Dieses Jahr haben wir außerdem 125-jähriges Jubiläum meines ehemaligen Institutes, dem IME (Institut für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling). Im Mai wird gefeiert und ich werde auch vor Ort sein. Darauf freue ich mich schon sehr!

Konkrete Projekte mit der RWTH gibt es momentan nicht, aber es gibt große Schnittstellen mit der Forschung aus der Hochschule, zum Beispiel beim Recycling von Metallen und geschlossenen Kreisläufen – sehr wichtige Themen bei der Automobilherstellung. Oft stellen wir bei Porsche Stellen für Bachelor- und Masterarbeiten zur Verfügung, um so auch Studierenden Einblicke in die Praxis zu ermöglichen. Mir ist es sehr wichtig, junge Studierende zu fördern.

Jetzt haben Sie gerade schon Recycling und Kreisläufe angesprochen. Bei Ihrer vorherigen Position bei Audi waren Sie unter anderem für Umweltschutz im Unternehmen zuständig. Wie passen Umweltschutz und Automobilindustrie zusammen?

Es ist essenziell, dass wir unsere Umwelt möglichst wenig bei der Automobilherstellung beeinflussen. Es fallen zwar beispielsweise Prozesswässer und Schrotte an; diese werden aber sauber gesammelt und in einen Kreislauf zurückgeführt.

Ein konkretes Beispiel aus meiner aktuellen Position, ist das Planen von Einzelteilen. Wenn man ein Auto herstellen und dafür beispielsweise eine Tür fertigen möchte, gibt es erstmal ein gerades Blech. Dieses muss man umformen und zuschneiden. Dabei fallen Reste an, sogenannte Verschnitte. Wir optimieren die Beschnitte für eine maximale Materialausnutzung. Was dann noch aus prozessualen Gründen als Rest-Material anfällt, wird dem Recycling zugeführt.

 

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Einblicke in die Produktion bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG.

Sie waren länger auch in China tätig. Wie wichtig sind internationale Beziehungen für Ihre tägliche Arbeit und die Automobilherstellung?

Ich halte es generell für sehr wichtig, dass junge Leute sich breit aufstellen und im Rahmen ihrer beruflichen Entwicklung auch international tätig sind. Als Studentin habe ich ein Praktikum in Kanada gemacht und später eine Studienarbeit in England geschrieben. Das war wertvoll, um Land und Leute kennenzulernen und mein Englisch zu verbessern.

Wenn man als junger Mensch zeitweise im Ausland gelebt hat, lernt man, wie interessant es ist, Deutschland von außen wahrzunehmen. Wir sind nicht das Zentrum der Welt in Deutschland, sondern es gibt viele Länder, die mit viel Innovationskraft und Fleiß Neues entwickeln. Wir sind ein Teil des Großen-Ganzen und müssen bereit sein mit- und voneinander zu lernen.
Dieser Blick von außen schärft den Blick für viele interne Dinge – beruflich wie privat. Und er zeigt auch, wie gut wir es in Deutschland haben. Nach meiner Promotion habe ich in Simbabwe gelebt. Da gab es kein Trinkwasser aus dem Wasserhahn, manchmal wurde das Wasser sogar abgestellt.

Es ist gut, wenn man weiß, wie privilegiert wir hier in Europa sind und dass wir uns auch jeden Tag weiter dafür einsetzen müssen, dass es uns langfristig gut geht. Dieses Mindset erlangt man, wenn man woanders gelebt hat.

In Simbabwe war ich gerade 30 Jahre alt. Später, als meine Kinder klein waren, war ich hauptsächlich in Deutschland tätig. Im Alter von 50 Jahren bin ich erneut im Ausland, in China, als Werksleiterin eingesetzt gewesen. Ich bereue keinen Tag, obwohl ich ein Jahr während der Corona-Pandemie dort war. Das war schwer, weil ich dadurch zehn Monate von meiner Familie getrennt war. Ich habe mich dann auf meine Arbeit fokussiert und viel über Kultur und Arbeitsweisen in China gelernt. Das war extrem bereichernd. Ich würde es sofort wieder machen.

Wie sind Sie denn von Ihrem Studienfach Metallurgie in die Automobilbranche gekommen? Meistens findet man dort eher Maschinenbauer*innen. Eben haben Sie schon von Metallen für die Automobilherstellung gesprochen. War das der Hintergrund – die Metallbearbeitung beim Auto?

Ich habe erst in der Verfahrenstechnik gearbeitet, bei einem Hersteller von Anlagentechnik für die chemische Industrie. Das hat inhaltlich auf den ersten Blick besser zu meinem fachlichen Hintergrund gepasst. Ein paar Jahre später bin ich eher zufällig in der Automobilindustrie gelandet, weil dort eine interessante Stelle im Bereich Korrosionsschutz ausgeschrieben war.

Weitere Stationen im Automobilbau waren Tätigkeiten in der Technischen Entwicklung im Aluminiumzentrum bei Audi, als Fertigungsabschnittsleitung im Karosseriebau des A6 und schließlich die Leitung der Planungsabteilung für die Herstellung von Einzelteilen und Anbauteilen (Türen und Klappen). Alle diese beruflichen Stationen passen gut zu einer Metallurgischen Ausbildung.

Wir haben bei uns in der Produktionsplanung nicht nur Maschinenbauer*innen. Die beruflichen Werdegänge und Fachhintergründe in der Automobilproduktion sind oftmals ganz unterschiedliche. Gerade in der Lackiererei haben wir viele Chemiker*innen. Wir beschäftigen ebenfalls Mathematiker*innen, Physiker*innen und z.B. Bauingenieur*innen für die vielen Gebäude in unseren Fabriken. Als Metallurgin bin ich auch nicht allein geblieben: In meiner Laufbahn habe ich einige ehemalige Kommiliton*innen mit dem gleichen Fachhintergrund wiedergetroffen, sowohl bei Audi als auch bei Porsche.

Sie haben eine wirklich hohe, verantwortungsvolle Position bei Porsche. Und auch bei Audi hatten Sie eine hohe Führungsposition. Gab es in Ihrer beruflichen Laufbahn auch mal Hürden?

Natürlich, aber es ist vermutlich bei niemandem so, dass man einen schnurgeraden Lebensweg hinlegt. Eigentlich kann ich schon vor dem Studium anfangen: Ich wollte ein Praktikum in meiner Heimatstadt Stolberg in einer Bleihütte machen. Ich habe mich dort beworben und die Antwort erhalten, dass ich als Frau nicht in der Bleihütte arbeiten dürfte aufgrund der Gefahr durch Schwermetalle, die erbgutbelastend sind. Für sechs Wochen Praktikum war es dann nur mit einer Ausnahmegenehmigung möglich.

Nach dem Praktikum dort habe ich studiert und promoviert. In der Bleihütte haben mir einige Kollegen gesagt: „Das ist kein Beruf für ‘ne Frau. Wenn du jetzt studieren gehst, brauchst du nicht denken, dass du als Chefin wieder herkommen kannst.“ Daher dachte ich zunächst, dass ich mich eher der Theorie als der Praxis zuwenden sollte. Das war der Grund, warum ich mich für die Promotion entschieden habe. Nach und nach kam dann doch der Wunsch bei mir auf in der Industrie arbeiten zu wollen. Damals, 1994/95 hat es auf dem Arbeitsmarkt für Ingenieur*innen sehr schlecht ausgesehen. Gleichzeitig hatte ich das Angebot, noch zu habilitieren, aber der Wunsch, mein Wissen in der Praxis anzuwenden, war doch größer. Ich war sehr gerne an der RWTH und habe auch sehr gerne noch promoviert, aber eine Habilitation wäre mir ein Schritt zu viel in die Theorie gewesen.

Schon während meiner Promotion war ich zweimal in Simbabwe, um an der University of Zimbabwe auszuhelfen. Nach meiner Promotion wurde ich gefragt, ob ich dort nicht langfristig einsteigen wollte. Das habe ich dann ein Jahr gemacht, um mehr Auslandserfahrung zu sammeln. Danach habe ich dann verschiedene Job-Angebote erhalten. Das Unternehmen, in dem ich einstieg, suchte nämlich jemanden mit Auslandserfahrung. In dem Job bin ich auch viel gereist und danach waren alle Türen geöffnet.

Kleinere Hürden waren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mein Mann hat ebenfalls an der RWTH studiert, wir sind beide Ingenieure und es war immer wichtig für uns, dass wir beide gleichwertig arbeiten konnten. Die Kinderversorgung haben wir oft außerfamiliär organisiert, was einem damals nicht leicht gemacht wurde, wir aber letztlich sehr gut gelöst haben.

Als ich dann vor 22 Jahren bei Audi angefangen habe, bin ich in meiner beruflichen Laufbahn immer höher aufgestiegen. Ich habe als Sachbearbeiterin bei Audi angefangen. Nach vier Jahren bin ich ins Management aufgestiegen und jetzt bin ich im Top-Management bei Porsche angelangt.

Sie haben an der RWTH studiert und promoviert, es hat Ihnen hier also gefallen. Warum haben Sie sich für die RWTH entschieden?

Aachen kannte ich bereits und wusste, dass die Stadt sehr schön ist. Und zum Studieren ist Aachen die beste Stadt überhaupt. Auch damals war die Uni schon sehr renommiert und für mich hatte Aachen die richtige Größe. Außerdem war Metallurgie die perfekte Studienrichtung für mich.

Also haben Sie sich auch schon vor Ihrem Studium besonders für Metalle interessiert?

Ich fand Gold schon immer toll. Ich wäre, wenn meine Eltern mir kein Studium hätten ermöglichen können, Goldschmiedin geworden. An Metallen fasziniert mich besonders die Wandelbarkeit des Materials. Durch Beifügung verschiedener Legierungselemente können die Eigenschaften von Metall in einer großen Bandbreite variiert werden. Das fasziniert mich bis heute.

2021 wären Sie zu Ihrem silbernen Promotionsjubiläum eingeladen worden, aber aufgrund der Corona-Pandemie ist die Veranstaltung leider ausgefallen. Haben Sie besondere Erinnerungen an Ihre Zeit an der RWTH?

Wir hatten damals im ersten Semester Tutoren aus höheren Semestern. Dadurch bekamen wir einen guten Überblick über die Uni und haben Kommiliton*innen kennengelernt.

Unser Studiengang hatte eine geringe Studierendenzahl und es herrschte immer ein gutes Miteinander, weil wir nicht in Konkurrenz zueinander standen. Ich habe stets Team-Arbeit erlebt. Später im Hauptdiplom waren wir lediglich vier Studierende pro Wintersemester. Dabei sind richtig gute Freundschaften entstanden.

Obwohl meine Eltern in der Nähe wohnten, bin ich zum Studium nach Aachen gezogen, auf Empfehlung meines Vaters. Er sagte, als Studentin müsse man auch in der Stadt, in der man studiert, leben. Da hat er durchaus Recht gehabt. An meinem Institut wurden uns sehr interessante Exkursionen mit Praxisbezug angeboten, im Sommer immer ein bis zwei Wochen. Wir haben Werke und Unternehmen besucht und einen guten Einblick in unsere künftige Arbeitswelt bekommen.

Zwar wurde unser Promotionsjubiläum aufgrund der Corona-Pandemie ausgesetzt; nun freue ich mich aber sehr auf unsere 125-Jahr-Feier des IME im Mai und darauf, alle ehemaligen Kommiliton*innen wieder zu sehen.

Wie sehen denn Ihre Pläne für die Zukunft aus? Könnten Sie sich vorstellen, auch nochmal im Ausland tätig zu sein?

Ich denke, jede*r, der*die einmal im Ausland war, möchte das immer gerne wiederholen. Ich kann mir das also immer wieder vorstellen. Jetzt bin ich aber erst seit sechs Monaten bei Porsche und konzentriere mich auf diese neue Aufgabe. Ich finde, es ist wichtig, eine Stelle über einen längeren Zeitraum auszuüben, um auch die Ergebnisse zu ernten, die man sät. Morgen kommt ein Auslandsaufenthalt also nicht infrage. Grundsätzlich aber sehr gerne.

Und wie sieht es mit dem akademischen Bereich aus? Sie haben sich gegen eine Habilitation entschieden, wäre die Lehre also eher nichts für Sie?

Man soll ja niemals nie sagen. Lehre ist aber nichts, was ich konkret auf dem Schirm habe. Die eine oder andere Gastvorlesung halte ich natürlich immer gerne. Der Austausch zwischen Industrie und Forschung ist sehr wichtig.

Vielen Dank für das schöne und informative Gespräch, Frau Dr. Kögler!

– Autorin: Siba Fitzau. Das Interview wurde im Februar 2024 geführt.