„Die Codierung als Informatikerin ist in meiner DNA gegeben.“

RWTH-Alumna Dr. Violett Zeller ist begeistert vom Mehrwert digitaler Lösungen

Für Dr. Violett Zeller stand schon recht früh das Studium der Informatik fest.
Foto: Viega

Bei günstigen Umständen hätte das Gespräch mit Dr. Violett Zeller, Director Product Management Digital Products der Viega GmbH & Co. KG im sauerländischen Attendorn, auch auf dem Campus Melaten stattfinden können. Denn Viega, ein führender Hersteller von Installationstechnik für Sanitär und Heizung mit über 4.700 Mitarbeitenden, gehört zu den sogenannten immatrikulierten Unternehmen, die auf dem RWTH Aachen Campus gemeinsam mit den Forschungseinrichtungen an technologischen Problemstellungen arbeiten. Wir erreichen sie aber online per Video zum Gespräch – was dennoch sehr gut zu Violett Zeller passt. Denn die RWTH Alumna ist begeistert von den Möglichkeiten der Digitalisierung – genauer gesagt: dem Mehrwert, den digitale Lösungen hervorbringen können.

Für die Deutsch-Perserin, aufgewachsen in Aachen, stand mit ihrer Begeisterung für Automation und Effizienz schon recht früh das Studium der Informatik fest: „Ich bin ein Mensch, der effizienzgetrieben ist und stelle mir daher gerne die Frage: Wie können digitale Lösungen unterstützen?“ Nach dem Diplomabschluss in der Informatik mit Fokus Software-Engineering begann Violett Zeller eine Promotion im Maschinenbau, denn sie sah eher zufällig eine Ausschreibung des Forschungsinstituts für Rationalisierung e. V. (FIR) für Projektmanagement im Bereich „Digitalisierung für Logistik und Produktion“. Sie war sofort von der Möglichkeit begeistert, Projekte mit der Industrie zu bearbeiten und nebenbei zu promovieren. „Es hat mich immer interessiert, bei einem Thema über den Tellerrand zu schauen. Mir war es aber auch wichtig, bei einer Promotion einen Anwendungsbezug zur Industrie zu haben.“

Mit dem Schritt von der Informatik in den Maschinenbau ergaben sich – wie sie es ausdrückt – Einblicke in eine neue Welt. Der Anwendungsbereich von produzierenden Unternehmen sei ihr bis dahin fremd gewesen, aber es reizte sie die Frage: Was gibt es für digitale Möglichkeiten bei Problemstellungen in der Produktion, in der Logistik, im Service oder auch in den Support-Bereichen eines Unternehmens?

Nach dreieinhalb Jahren übernahm Violett Zeller die Bereichsleitung

Informationsmanagement beim FIR. Gleichzeitig startete sie mit einem Team aus Forschung und Industrie das Projekt „Industrie 4.0 Maturity Index“ unter der Schirmherrschaft der acatech, bei dem es um die Entwicklung eines Reifegradmodells für produzierende Unternehmen zur Bewertung des Digitalisierungsgrades und wesentliche Fragestellungen ging: Welche digitalen Fähigkeiten hat das Unternehmen? Welche muss es haben, um gewisse Unternehmensziele zu erreichen? Dieses Projekt verlief sehr erfolgreich, so dass man erkannte: Das ist ein wertvolles Werkzeug für die produzierende Industrie. Schließlich wurde das Projekt in ein Start-up überführt und 2017 die i4.0MC – Industrie 4.0 Maturity Center GmbH mit Violett Zeller als Co-Geschäftsführerin gegründet: „Firmengründung ist auch eine der vielen Möglichkeiten, die das Ökosystem am RWTH Aachen Campus bietet. Ich hatte die große Chance, das Thema Entrepreneurship zu erkunden und habe dabei die Start-up-Kultur schätzen gelernt.“

Für Violett Zeller war der Anwendungsbezug ihrer Arbeit immer wichtig. So entstand der Wunsch, vollständig in die Industrie zu gehen. Viega hatte sie bereits während ihrer FIR-Zeit auf dem RWTH Aachen Campus kennen gelernt. Das Unternehmen äußerte den Wunsch, nicht nur physische Rohrleitungssysteme anzubieten, sondern diese mit digitalen Services zu veredeln. Ziel ist es, die hinter der Gebäudewand liegenden Medien, wie Wasser und Gas, mit Sensorik und Aktorik durch smartifizierte Komponenten und Systeme intelligent zu führen – also „die Lebensadern der Gebäude von morgen zu installieren“ – in Anlehnung an den formulierten Viega „Purpose“.

„Meine Arbeit trägt zu unseren Unternehmenszielen bei und bedeutet ebenso eine Identifikation mit meinen eigenen Werten.“

Fokus Trinkwasser

Die Viega GmbH & Co.KG ist Mitglied bei der internationalen Initiative „50 Climate Leaders“, die sich an den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) der Vereinten Nationen (UN) orientiert. Als Beitrag fokussiert sich Viega insbesondere auf Lösungen und Produkte rund um das Thema Trinkwasser. „Mit der Zeit wurde es für mich immer wichtiger einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, die einen nachhaltigen Beitrag für Gesellschaft und Umwelt leistet. Trinkwasser ist ein relevantes Thema, nicht nur, was die Verfügbarkeit für die Gesellschaft betrifft, sondern auch in Bezug auf die Energieeffizienz für die Umwelt“, so Violett Zeller zu einem weiteren Beweggrund für ihr Engagement bei dem sauerländischen Unternehmen. In Deutschland könne man einfach den Hahn aufdrehen und sich am Trinkwasser bedienen – und dies sei weltweit und selbst in Industrieländern wie USA und China nicht die Regel. Die Trinkwassergüte wird durch mehrere Faktoren bestimmt wie Temperatur, Zirkulation, Nährstoffangebot und Wasseraustausch. Zellers Aufgabe ist es, digitale Lösungen einzubringen, um Temperaturverläufe, Druck und Spülungen digital durch elektronische Komponenten wie Armaturen oder Zirkulationsventile wirksam und energieeffizient zu unterstützen. „Trinkwasser ist ein wesentliches Gut, das wir schützen und erhalten müssen. Meine Arbeit trägt zu unseren Unternehmenszielen bei und bedeutet ebenso eine Identifikation mit meinen eigenen Werten.“

Auf dem Campus Melaten betreibt Viega zu Testzwecken ein intelligentes Trinkwassermanagement-System, das mit weiteren Komponenten der Gebäudetechnik verknüpft wird.
Foto: Viega

Bei aller Begeisterung und Faszination für die Digitalisierung ist Violett Zeller aber auch kritischer geworden. „Digitalisierung ist nicht das Allheilmittel und bedeutet immer Investitionen nicht nur in eine technologische Lösung, sondern auch in die Veränderung von anderen Unternehmensmechanismen, wie zum Beispiel Prozesse, Kompetenzen oder Kulturverständnis. Daher stellt sich die Frage, inwieweit ein wesentlicher Beitrag durch die Digitalisierung geleistet werden kann. Letztendlich ist Digitalisierung dafür da, Entscheidungsträger zu unterstützen und nicht umgekehrt.“

„Letztendlich ist Digitalisierung dafür da, Entscheidungsträger zu unterstützen und nicht umgekehrt.“

Die Investitionen, die Violett Zeller in ihre akademische Ausbildung gesteckt hat, waren es allemal wert. Ein erfolgreiches Studium der Informatik, dazu eine Promotion im Maschinenbau mit Auszeichnung, zugleich Mitgründerin eines Start-ups und schließlich Director Product Management Digital Products bei Viega – die bisherige berufliche Entwicklung von Violett Zeller ist sehr erfolgreich verlaufen. Was sind ihre Erfolgsfaktoren und -strategien? Anlässlich eines Workshops des RWTH Career Centers für Studentinnen im vergangenen Jahr ging sie der Frage nach: Was hat mir geholfen? Als erste Antwort findet Violett Zeller: „Die Erwartungshaltung verschiedener Personen, mit denen man zusammenarbeitet, zu verstehen. Also: Was hat dein Gegenüber gerade für ein Problem? Was motiviert ihn? Wie können wir bei einer gemeinsamen Aufgabe eine win-win-Situation realisieren? Es gilt das Prinzip: Wer fragt, der führt“. Dieses Prinzip geht nahtlos in eines ihrer weiteren Erfolgsfaktoren über: Kommunizieren. „Man kann nie genug Zeit darauf verwenden, immer wieder miteinander zu kommunizieren, um das eigentlich Gemeinte effizient vermittelt zu bekommen und beim Gegenüberliegenden richtig platziert zu haben.“

Violett Zeller sieht sich in der nächsten Zukunft weiterhin in der Rolle der Vermittlerin, durch Digitalisierung Mehrwerte für Kund*innen zu realisieren und digitale Geschäftsmodelle voranzutreiben. „Die Codierung als Informatikerin ist in meiner DNA gegeben.“ In ihrer gegenwärtigen Managementrolle, die vielen verschiedenen Personengruppen – Forschende, Entwickelnde, Kund*innen, Vertriebsleute und Vorstandsmitglieder – für eine anwendungsorientierte digitale Lösung zusammenzubringen, fühlt sie sich am wohlsten. „Man hat dabei den breiten Blickwinkel auf die Dinge, den mag ich.“

Wohin sie der Berufsweg langfristig führen wird? Vielleicht eine Professur an der RWTH? Für ihre Antwort überlegt sie etwas länger: „Sag‘ niemals nie. Wenn ich eine Professur anstrebe, dann wäre es mir wichtig, meine Erfahrungen aus der Industrie den Studierenden mitzugeben. Für mich persönlich als Studentin haben mir die Vorlesungen am meisten etwas gebracht, in denen praxisnahe Anwendungsfälle definiert wurden.“ Doch im Moment hat sie eher den Wunsch, in der Industrie die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung zu nutzen. „Dafür gibt es viel Potenzial in der deutschen Industrie. Es gibt also noch einiges zu tun.“

– Dietrich Hunold