Gastbeitrag der Industrie- und Handelskammer Aachen

Johannes Graf (r.) und Lukas Kaesmacher (l.) haben ihre Vans selbst ausgiebig getestet.
sechsquadratmeter GmbH

Weniger ist Meer

Die mobilen XXS-Behausungen der sechsquadratmeter GmbH bieten das, was man laut UNO für ein glückliches Leben braucht

Sechs Quadratmeter sind wahrlich kein Schloss. Doch aus Sicht von zwei jungen Unternehmern aus Eschweiler ist der Platz absolut ausreichend, um alle Notwendigkeiten des täglichen Lebens und vor allem auch des Arbeitens unterzubringen. Dabei wissen sie eine berühmte Autorität hinter sich: „Die UNO definierte in ihrem ersten ,World Happiness Report’ sechs Quadratmeter Wohnraum als eine Grundbedingung für ein glückliches Leben“, schreiben Johannes Graf und Lukas Kaesmacher auf ihrer Webseite. Mit seiner sechsquadratmeter GmbH vermietet das Duo „individuelle Campervans“, etwa in Form von umgebauten Rettungswagen.

„Durch kreative Aufteilung bekommen wir auf dieser Fläche alles unter, was man zum Wohnen und Arbeiten braucht“, so Johannes Graf.

Für ausreichend Komfort in der XXS-Behausung gehöre ein großes, bequemes Bett mit richtigem Lattenrost, ein großer Schreibtisch mit zwei Bildschirmarbeitsplätzen, eine Küche mit viel Stauraum, Induktionskochfeld sowie Kühlschrank mit Gefrierfach. Auch Kaffeemaschine, Spüle, Wassertanks und Warmwasserboiler fehlen nicht. Auf Wunsch ist auch eine Trockentrenntoilette mit an Bord. Nur eine Dusche sucht man in ihrem Konzept vergeblich. „Darauf haben wir bewusst verzichtet, weil die Nasszelle im Wohnmobil erfahrungsgemäß meist genutzt wird, um Schuhe reinzustellen und Jacken aufzuhängen. Die Dusche kann man also getrost weglassen. Dafür haben wir eine ausziehbare Außendusche“, erklärt Grafs Kompagnon Lukas Kaesmacher.

Das Angebot „individuelle Campervans“ zu mieten, richtet sich auch an Home-Office-Nutzer*innen. Das Büro-Equipment besteht unter anderem aus zwei ergonomischen Bürostühlen, höhenverstellbaren Bildschirmen mit Webcams sowie Stromanschluss für Laptops und Accessoires. Ein kleiner Möbeltresor schützt die Technik vor ungebetenen Gästen. Und wenn Schlafenszeit ist? „Alles kann auf dem Schreibtisch bleiben, wenn das Bett runtergeklappt wird“, sagt Lukas Kaesmacher. Eine modifizierte Fritzbox in Kombination mit einer 5G-Rundstrahlantenne soll für beste Internetverbindung sorgen. „Wir haben das in der tiefsten Eifel getestet“, erzählt Johannes Graf. Das Smartphone habe null Empfang gehabt, doch das Internet des Campers habe problemlos funktioniert.

Arbeiten und Wohnen auf wenig Platz ist dank kreativer Aufteilung kein Problem.
sechsquadratmeter GmbH

Vorteile des Home-Office mit der Freiheit des „Van-Life“ verbinden

Johannes Graf ist studierter Energietechnik-Ingenieur der RWTH Aachen. Weil ihm während der Coronazeit die Decke auf den Kopf fiel, beschloss er, sich ein Feuerwehrauto zum Camper umzubauen und den Job vorm Home-Office-Bildschirm gegen eine mehrmonatige Van-Tour durch Europa einzutauschen. Bei Lukas Kaesmacher, studierter Bauingenieur der FH Aachen, ging es den umgekehrten Weg: Begeistert von der Idee einer längeren Reise, kaufte er sich zunächst einen Rettungswagen zum Ausbau. Als sich die beiden Tüftler dann über eine Verkaufsplattform im Internet kennenlernten, war die Gründung des Start-ups nur noch eine Frage der Zeit. Ihre Grundidee: die Vorteile des Home-Office mit der Freiheit des „Van-Life“ verbinden. Der Startschuss fiel im August 2021. Rund ein Jahr später erfolgte die Umfirmierung zur GmbH. Die Gründerphase war nach ihrer Aussage alles andere als vergnügungssteuerpflichtig. Sie wurden „mit viel Bürokratie und wenig Digitalisierung“ konfrontiert. „Es wird einem nicht leicht gemacht, aber es gab auch viel Unterstützung, zum Beispiel durch Beratung der IHK“, zieht Johannes Graf ein Fazit.

Ein Traum, der wahr werden kann: Home-Office am Meer.
sechsquadratmeter GmbH

Der Tapetenwechsel fördert die Kreativität

Inzwischen besteht der Fuhrpark aus sechs Fahrzeugen. Diese werden bislang vor allem von Privatleuten genutzt. Darunter sind Arbeitnehmer*innen, die ihren Jahresurlaub schon verbraucht haben, aber dennoch auf einen Tapetenwechsel nicht verzichten wollen. „Sie fahren dann zum Beispiel ein paar Wochen nach Frankreich und machen Home-Office am Meer“, sagt Lukas Kaesmacher. Selbstständige, die trotz Urlaub immer mal wieder zwei bis drei Stunden Stündchen arbeiten müssten, seien eine weitere Zielgruppe.

In Zukunft wollen sich die Eschweiler verstärkt an Unternehmen wenden. Sie sehen ihr Angebot als innovatives Mittel zur Gewinnung, Bindung und Motivierung von Fachkräften. „Für die Arbeitnehmer*innenseite ist es ein bezahlter Tapetenwechsel. Er fördert die Kreativität und senkt das Stresslevel“, meint Johannes Graf. „Die Arbeitgeber*innenseite kann mit einem coolen Corporate Benefit punkten und erhält zufriedenere Mitarbeitende.“ Kontinuierlich will das kleine Unternehmen seine Flotte erweitern und sich ein kleines Team aufbauen. Mittelfristig soll sechsquadratmeter zu einem Synonym für mobiles, ortsunabhängiges Arbeiten werden.

– Autor: Daniel Boss