Ein Kampf gegen die Fibrose
RWTH-Wissenschaftlerin Rebekka Schneider-Kramann erhält für ihre Forschung einen ERC Consolidator Grant
Rebekka Schneider-Kramanns Forschung ist ein Kampf – gegen die Fibrose. So nennt es die Professorin für Zellbiologie an der RWTH Aachen und Direktorin des Instituts für Zell- und Tumorbiologie am Universitätsklinikum RWTH Aachen, wenn sie ihre Ziele beschreibt. Sie will mit ihrem erfolgreichen Forschungsantrag „Re-windMF“ Fibrose im Knochenmark „bekämpfen“. Für den wird die 42-Jährige nun durch den Europäischen Forschungsrat mit einem ERC Consolidator Grant gefördert – eine der wertvollsten Auszeichnungen im europäischen Wissenschaftssystem.
Für Schneider und ihr Team des „Schneider Lab“ gibt es nun Dank der Förderung die Möglichkeit, mit innovativen Methoden Wege zu finden, dass sich Fibrose nicht mehr uneingeschränkt ausbreitet, und viel mehr noch Therapieansätze zu entwickeln, mit denen sich Fibrose wieder zurückbildet. Als Fibrose bezeichnen Mediziner*innen die massive Narbenbildung an Organen. Und bisher galt der Eindruck, dass Narbenbildung in Organen nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
Das Problem: Fibrose führt nach und nach zum Verlust der Organfunktionen und ist damit sehr gefährlich für die menschliche Gesundheit. Speziell im Knochenmark ist Fibrose gefährlich. Sie tritt dort im Zuge von Blutkrebs auf und ersetzt die normale Blutbildung. Statt neuen Blutes wird ausschließlich Narbengewebe gefördert. Die Blutbildung wird wiederum in die Milz verlagert, die dadurch schnell zu groß wird. Die Erkrankung endet so schnell tödlich. „Erkrankte merken Fibrosebildung leider oft erst, wenn die Erkrankung fortgeschritten ist. Der Traum ist, Fibrose mittels Therapie so zu behandeln, dass sie sich wieder zurückentwickelt und Patientinnen und Patienten keine Knochenmarkspende mehr benötigen“, sagt die Medizinerin.
Post-Doc Zeit an der Harvard Medical School in Boston
Mit einem Consolidator Grant unterstützt der Europäische Forschungsrat Wissenschaftler*innen in ihrer Forschungsarbeit. Voraussetzung sind der bahnbrechende Charakter, die Ambition und die Durchführbarkeit des Forschungsthemas. Professorin Schneider wird nun für fünf Jahre mit knapp zwei Millionen Euro gefördert. Es ist bereits das zweite Mal, dass sie eine ERC-Förderung erreicht. Ihr war es zuvor bereits gelungen, einen ERC Starting Grant einzuwerben, zudem wurde sie bereits mit einem ERC Proof-of-Concept gefördert.
Ihr Forschungsthema beschäftigt sie schon lange: Nach dem Medizinstudium in Aachen setzte sich Rebekka Schneider bereits während der Fachärztinausbildung in der Pathologie intensiv mit dem Knochenmark auseinander. Ihre erste große Forschungsfrage lautete, welche Zellen im Knochenmark für Fibrosebildung verantwortlich seien. „Das war immer die Kernfrage: Wenn wir diese Zellen kennen, dann können wir auch versuchen, sie zu therapieren“, erläutert die Medizinerin.
Während ihrer Post-Doc Zeit bei Benjamin L. Ebert an der Harvard Medical School in Boston in den USA fokussierte sich ihr Blick auf Blutzellen. Doch in einem Nebenprojekt identifizierte sie die sogenannten Gli1+-Zellen als diejenigen, die maßgeblich verantwortlich sind für die Fibrose im Knochenmark. Um diese mit neuen Technologien besser zu verstehen und zu untersuchen, wie sie mit Blutkrebs interagieren, hat sie 2017 am Erasmus Medical Center Rotterdam den ERC Starting Grant eingeworben.
Die Förderung gab ihr die Möglichkeit, neue Methoden in Blutkrebsmodellen der Maus aber auch in Patient*innenproben zu etablieren, die jetzt maßgeblich für das neue Forschungsprojekt sind. So kann sie kleinste Knochenmarkbiopsien von Patient*innen mit räumlicher Auflösung betrachten und so bis zur Zellebene durchdringen, um zu verstehen, wie Krebszellen die Fibrose-machenden Zellen aktivieren.
Im Rahmen des Starting Grants konnte schließlich ein Medikament „wieder-verwertet“ werden, welches eigentlich gegen Prostatakrebs getestet wurde (drug re-purposing).
Tatsächlich stoppte dieses die Fibrosebildung im Mausmodell und auf Basis der Ergebnisse wurde jetzt eine klinische Studie gestartet. „Das Besondere an dieser Zeit war, dass wir auf Basis von klassischer Grundlagenforschung bis zu einer klinischen Studie vorgedrungen sind“, berichtet Schneider.
Der nächste Schritt in Richtung Behandlung
Mit dem Consolidator Grant will sie mit ihrem Team nun den nächsten Schritt gehen. Quasi aus der Petrischale zum Menschen vordringen und Patient*innen mit dem gewonnenen Wissen unmittelbar helfen. Denn noch kann Fibrose ausschließlich mit Knochenmarktransplantation behandelt werden, doch kann diese Therapie bei vielen Patient*innen nicht angewendet werden, weil diese für die aggressive Behandlung mit hochdosierter Chemotherapie und der Gabe von Spender*innenknochenmark bereits zu stark erkrankt sind. Und gelingt die Behandlung, ist es immer noch möglich, dass gespendetes Knochenmark die erkrankten Zellen im Körper nicht mehr ausreichend unterstützen kann.
Schneider will mit ihrem Team verstehen, welche Patient*innen einen Vorteil von einer Knochenmarktransplantation haben. Dafür wird sie viele Proben von Erkrankten vergleichen, bei denen die Therapie anschlägt und bei denen sie nicht anschlägt. Unterstützt wird sie dabei von der Klinik für Hämatologie, Onkologie, Hämostaseologie und Stammzelltransplantation (Medizinische Klinik IV) der Uniklinik RWTH Aachen, die die notwendigen Knochenmarkbiopsien übermittelt. Diese werden dann auf Zell-, RNA- und Proteinebene mit räumlicher Darstellung analysiert und die hohen Datenmengen werden dann bioinformatisch aufgearbeitet, unter anderem durch Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Deep Learning in einer langbestehenden Kooperation mit Professor Ivan Costa und seinem Team. Die Erkenntnisse werden dann wieder im Labor in der Zellkulturschale und im Mausmodell bestätigt, immer mit dem Ziel, neue Medikamente zu finden.
„Wenn wir verstehen, wie der Blutkrebs die Zellen dereguliert, die eigentlich die Blutbildung unterstützen, dann aber Fibrose machen, können wir der Fibrose entgegenwirken.“
Nur so lassen sich am Ende wirksame Medikamente identifizieren. Und: „Ohne Fibrose lässt sich eine Erkrankung mit dieser Art von Blutkrebs gut kontrollieren“, so Schneider. Denkbar ist auch, eine erfolgreiche Therapieform dann auf weitere Krebsarten auszuweiten, die mit Fibrose einhergehen.
Rebekka Schneider-Kramann wurde für ihre Forschung unter anderem mit dem Gerhard Domagk Preis für Krebsforschung (2022), dem Swammerdam Award der Nederlandse Vereniging voor Hematologie (2019), dem Artur Pappenheim Preis Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (2016) und dem Innovationspreis der Deutschen Hochschulmedizin (2016) ausgezeichnet. Sie ist Teil des Gründerteams der Sequantrix GmbH mit Fokus auf innovative anti-fibrotische Therapien.
– Autor: Thorsten Karbach