Beim Projekt SmartQuart geht es um klimaneutrale Energieversorgung.
SmartQuart

Transdisziplinäre und transformative Wissensproduktion in Reallaboren

Der Living Labs Incubator stellt sich vor

Seit einiger Zeit stellen Reallabore zentrale Forschungsinfrastrukturen partizipativer Wissensproduktion und Technologieentwicklung dar. Sie werden in den verschiedensten Bereichen, von Stadtplanung und medizinischer Forschung über die nachhaltige Energiewende oder Rohstoffgewinnung bis hin zu IT-Themen eingesetzt. Diese Vielfalt erschwert die Entwicklung kohärenter Methoden, Standards und Indikatoren für die Produktion von Wissen in und durch Reallabore. Wie eine inter- und transdisziplinäre Wissensintegration in Reallaboren erreicht und der Wissenstransfer durch Reallabore begünstigt werden kann, sind aktuell offene Fragen für Theorie und Praxis. Der Living Labs Incubator wurde im Rahmen der RWTH-Exzellenzstrategie ins Leben gerufen, um diese Herausforderungen kollaborativ zu bearbeiten.

 

Die Welt und die Universität im Wandel

Globale Herausforderungen erfordern nachhaltige und skalierbare Lösungen, um so vielerorts Veränderungen anzuregen. Hierbei nehmen Universitäten eine Schlüsselrolle ein. Sie bilden kommende Generationen aus und stellen Fachwissen sowie Infrastrukturen für die Untersuchung und Erprobung nachhaltiger sozialer und technologischer Innovationen bereit.

Die RWTH Aachen University gehört zu den ersten Technischen Hochschulen in Deutschland, die die Notwendigkeit einer erfolgreichen inter- und transdisziplinären Zusammenarbeit für einen nachhaltigen Wandel als zentrale Ausrichtung ihrer Exzellenzstrategie bestimmt hat.

Im Rahmen dieser Entwicklung entstand und entsteht ein breites Spektrum von Reallaboren, die als Plattformen für die Ko-Produktion und Ko-Evaluation von Wissen mit dem Ziel einer nachhaltigen Transformation in Hochschule und Gesellschaft fungieren. Im Jahr 2020 wurde der Living Labs Incubator (LLI) am Human Technology Center (HumTec) als Teil von Maßnahme 5 der Exzellenzstrategie der RWTH Aachen University eingerichtet, um Wege transdisziplinärer Forschung und Lehre in und durch Reallabore zu identifizieren und zu unterstützen.


Was ist ein Reallabor und was macht der Living Labs Incubator?

Reallabore zeichnen sich durch eine transdisziplinäre Forschungs- und Arbeitsweise aus. Sie produzieren auf experimentelle und kollaborative Weise Lösungen für kollektive Probleme in lokalen Kontexten mittels enger Zusammenarbeit von Akteur*innen aus Wissenschaft, Politik/Verwaltung, Wirtschaft oder der (organisierten) Zivilgesellschaft.

Der LLI hat ein stetig wachsendes Reallabor-Netzwerk an der RWTH aufgebaut. Für Reallaborforschende wie -interessierte gibt ein regelmäßiger E-Mail-Newsletter Informationen aus dem Netzwerk und zu interessanten Förderausschreibungen, Veranstaltungstipps und Publikationshinweisen weiter. Zudem entwickelt der LLI neue Methoden der Wissensproduktion (cross-modales Datenmanagement und -analyse; transdisziplinäre Datenanalyse) und Evaluationsstandards (bspw. Indikatoren für Wissenstransfer in und durch Reallabore). Zudem veranstaltet der LLI regelmäßig Treffen sowie themenspezifische Workshops oder Seminare und treibt gemeinsam mit Netzwerkpartner*innen die Etablierung eines Living Lab Training Centers voran.

Parallel finden Aktivitäten zur nationalen und internationalen Vernetzung statt. Hier konnten unter anderem die Mitgliedschaft im European Network of Living Labs (ENoLL) und eine Kooperation mit dem Netzwerk „Digi-Sandbox.NRW“ des NRW Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie etabliert werden.

Reallabore an der RWTH – einige Beispiele

Um das Themenspektrum und die Vielfalt der Reallabore mit RWTH Beteiligung aufzuzeigen, ein paar ausgesuchte Beispiele aus dem LLI-Netzwerk:

SmartQuart

  • RWTH-Beteiligte: Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik, Lehrstuhl für Energieeffizientes Bauen, Lehr- und Forschungsgebiet für Immobilienprojektentwicklung

SmartQuart

 

TransUrban.NRW

  • RWTH-Beteiligte: Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik, Institute for Automation of Complex Power Systems, Lehrstuhl für Energiesystemökonomik
  • Als die beiden ersten durch das BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) geförderten Reallabore der Energiewende erproben die beiden Projekte in Quartieren neue, dezentrale Strom- und Wärmeversorgungssysteme. Dabei werden Aspekte der Sektorenkopplung im Rahmen einer digitalisierten Planung beachtet und vorausschauende Verfahren zur Steuerung und Regelung eingesetzt. Die Konsortien bestehen aus Energieversorgern, wissenschaftlichen Akteur*innen sowie lokaler Politik und Verwaltung.

TransUrban.NRW

KlimaNetze

  • RWTH-Beteiligte: Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung, Lehrstuhl für Technik- und Organisationssoziologie
  • In diesem bereits abgeschlossenen, vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) geförderten Forschungsprojekt wurde in Reallaboren ein neues Zusammenwirken von Akteur*innen im Bielefelder Klimaschutz erprobt. Die Reallabore waren sehr erfolgreich: Sie helfen ganz konkret, die Mobilitätswende in Bielefeld umzusetzen. Zudem generierten sie neue Erkenntnisse im Bereich der Netzwerkforschung und zur Entstehung sozialer Innovationen.

KlimaNetze

Reallabor Nivelstein

  • Beteiligte der RWTH: Institute for Advanced Mining Technologies, Lehr- und Forschungsgebiet Aufbereitung mineralischer Rohstoffe
  • Im Oktober 2020 schlossen die RWTH Aachen und die Nivelsteiner Sandwerke und Sandsteinbrüche GmbH einen Kooperationsvertrag zur Erforschung neuer Technologien für eine nachhaltige Rohstoff- und Energieversorgung. Aktuell wird vor Ort unter anderem in den Projekten ELMAR und Energiepark Herzogenrath durch große Konsortien aus wissenschaftlichen und Industriepartner*innen erforscht, wie Ressourcenabbau in einem CO2-neutralen, resilienten und gesamt kosten-optimalen Energiesystem nachhaltig gesichert werden kann. In diesem Kontext forscht auch das Institut für Leistungselektronik und Elektrische Antriebe im Reallabor Nivelstein.

Reallabor Nivelstein

Im Projekt ELMAR wird erforscht, wie Ressourcenabbau nachhaltig geschehen kann. Foto: Martin Braun

WIRKsam

  • RWTH-Beteiligte: Institut für Textiltechnik
  • In dem im Rheinischen Revier beheimateten Kompetenzzentrum mit Reallabor-Standort in Hürth werden innovative, durch Künstliche Intelligenz unterstützte Arbeits- und Prozessabläufe zur Gestaltung attraktiver Arbeitsplätze und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit entwickelt.

WIRKsam

– Autor*innen: Gabriele Gramelsberger, Stefan Böschen, Julia Backhaus, Stefan John, Gudrun Rohde, Juri Dachtera, Inge Leurs, Anamaria-Ioana Rasenescu, Alexander Sonntag