Im Gespräch

Mobilität und wissenschaftlicher Austausch

Die Forschung und der wissenschaftliche Austausch sind in vielerlei Hinsicht untrennbar miteinander verbunden. Gerade im internationalen Austausch stellt sich häufig die Frage nach dem Umgang mit Erfordernissen des Mobilseins und Aspekten des Klimaschutzes. Wir haben bei Prof. Dr. Reicherter, Rektoratsbeauftragter für die Zusammenarbeit mit dem Land Indien und Professor für Neotektonik und Georisiken, nachgefragt.


Herr Prof. Reicherter, erzählen Sie uns etwas zu Ihrer Person, wer sind Sie und was machen Sie an der RWTH?

Ich bin seit 2006 Professor für Neotektonik und Georisiken und beschäftige mich mit alten Erdbeben, Tsunamis, und weiteren Naturkatastrophen. Da diese weltweit auftreten, bedeutet dies, dass mein Team und ich reisen müssen, um Geländebefunde und Proben (z.B. für eine Datierung der Ereignisse) sammeln und auch versenden zu können. Wir untersuchen seit fast zwei Jahrzehnten die Auswirkungen von Erdbeben, auch sekundäre Effekte wie Tsunamis und Massenbewegungen. Studiengebiete sind Deutschland, Spanien, Griechenland, Sizilien, Albanien, Japan, Indien, Indonesien, Island, Japan, Kuba, Mexiko, Oman, Chile, China, Namibia, Mongolei, USA und viele andere Länder. Wir leiteten mehrere neotektonische und erdbebengeologische Expeditionen in viele Teile der Erde sowie Paläo-Tsunami-Expeditionen in Oman, Griechenland und Spanien sowie Schiffsexpeditionen mit der deutschen RV Meteor. Weiterhin forschen wir an Veränderungen der klimatischen Paläo-Umweltbedingungen und Landschaftsveränderungen.

Sie sind zudem Rektoratsbeauftragter der RWTH für Indien und Zentrumskoordinator des Indo-German Centre for Sustainability. Die fächerübergreifende Forschung und der akademische deutsch-indische Austausch sind zwei der wesentlichen Merkmale des IGCS.

Wie findet dieser Austausch statt? Hat sich die Art des Austauschs in Ihren Augen mit Blick auf das Reisen in den letzten Jahren geändert?

Prof. Reicherter: Während der Covid-Pandemie und den natürlich weiterlaufenden Projekten, Promotionen und gemeinsamen Treffen haben wir gelernt mit „Online“-Meetings a) die Kontakte aufrecht zu erhalten, b) uns schnell über ein Thema zu unterhalten und auch c) Workshops sowie Summer-/Winterschools erfolgreich abzuhalten. Das erleichtert das Reisen und die Rückkehr in den Betrieb wegen der Zeitzonen und der Reisedauer. Wir haben auch Formate wie ein „Online“-Praktikum ausprobiert. Es hat sich gezeigt, dass der persönliche Kontakt nicht zu ersetzen ist. In Präsenz erfährt man anders das Gegenüber und kann prompt reagieren, das ist online sehr schwierig. Hier ist häufig der Top-Down-Ansatz gebräuchlich, oft nicht fair, aufgrund der Zeitnot im Meeting auch unüberdacht und zu schnell entschieden. Das hat mir weniger gut gefallen, keine Zeit für ausgewogene Entscheidungen zu haben. Ad hoc geht schon, aber häufig nicht zufriedenstellend für alle Beteiligten. Insofern ist der Austausch wieder personenbezogen, dementsprechend reiseintensiv. Aber das ist die Essenz des Austausches.

Das Bild zeigt Herrn Professor Doktor Reicherter. Er trägt ein blaues Hemd mit der Aufschrift RWTH Aachen University. Im Hintergrund ist ein Bücherregal zu sehen.
Prof. Dr. Klaus Reicherter ist Rektoratsbeauftragter für die Zusammenarbeit mit dem Land Indien und leitet das Lehr- und Forschungsgebiet Neotektonik und Georisiken an der RWTH.
J. Hürtgen

Hat sich Ihr eigenes Mobilitätsverhalten im beruflichen Kontext in den letzten Jahren verändert? Wenn ja, wie? Und wie gehen Sie selbst mit Flugreisen um?

Prof. Reicherter: Nach der Covid-Pandemie und Reisebeschränkungen geht mein persönliches Reiseverhalten zurück in die Vor-Pandemiezeit. Ich reise viel und auch fern. Doktorverteidigungen (mit den Nebenprodukten Networking und Partnerschaftspflege) würde ich immer – wenn möglich – in Präsenz machen. Ich reise selbst weniger auf Tagungen und suche mir die Interkontinentalreisen meistens Ende des Jahres für das folgende aus, um zu bündeln und Gabelflüge in Kauf zu nehmen und beispielweise Reisen nach Japan und Korea zu verknüpfen. Allerdings verstehe ich hier die Frage „Flugreisen“ nicht ganz, Fliegen trägt momentan zu 3,1% der weltweiten Emissionen bei. Somit ist die Frage nicht korrekt gestellt: „Und wie gehen Sie selbst mit Fern-/Nahreisen um“ hätte ich besser gefunden.

Ich benutze in Deutschland überwiegend umweltfreundlichere Alternativen mit Rad, Bahn oder Bus. Außerdem kompensiere ich mein CO2-Budget bei Flugreisen.

Herr Prof. Reicherter, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen!