Der „digitale Herzschlag“ der RWTH feierte

50 Jahre Informatik an der Aachener Hochschule

Christine Regitz, Präsidentin der Gesellschaft für Informatik, hielt den Festvortrag zum Jubiläum der Informatik an der RWTH.
Foto: Martin Braun

Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Data Science, Datensicherheit – Schlagwörter aus der Informatik, die allgegenwärtig erscheinen. An der RWTH Aachen stehen diese und andere Themen im Fokus der Forschung und Lehre der Fachgruppe Informatik. Als die Informatik an der RWTH startete, gab es keine Smartphones mit sozialen Netzwerken, kein Internet, nicht einmal PCs. 1972 war dies, mit drei Professoren wurde die neue Disziplin als eigenständiger Diplomstudiengang in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät aufgebaut, nachdem bereits zwei Semester erste Erfahrungen mit dem Nebenfach Informatik im Diplomstudiengang Mathematik gesammelt wurden.

Im September feierte die Informatik an der RWTH 50. Geburtstag – mit einer Festwoche unter dem Jubiläumsmotto „Der digitale Herzschlag der RWTH“, bei der Studierende und Alumni als auch Angehörige der RWTH und befreundeter Hochschulen sowie der Wirtschaft gleichermaßen eingebunden waren. Neben einem Programmierwettbewerb, einem Kolloquium, einer Firmenkontaktmesse, der feierlichen Verabschiedung der Absolventinnen und Absolventen mit einer Festrede von Professorin Christel Beier, TU Dresden, wurde das Jubiläum mit einer abschließenden Party gefeiert, bei der die Informatik-Professoren Joost-Pieter Katoen, Klaus Wehrle und Martin Grohe sowie der Dekan der Fakultät Carsten Honerkamp zudem als DJs agierten.

Den Festvortrag hielt im Rahmen eines feierlichen Abends die Präsidentin der Gesellschaft für Informatik, Christine Regitz. „Die Digitalisierung ist prägend für unsere gesellschaftliche Transformation. Der Informatik als Leitwissenschaft der Digitalisierung kommt damit eine besondere Bedeutung zu. Und ohne einen starken informatorischen Kern sowie effiziente, skalierbare, sichere, zuverlässige und anpassbare Informatiksysteme kann die Digitalisierung nicht gelingen“, sagte sie und lobte, dass die Informatik an der RWTH genau diese Anforderungen und Ansprüche abbilde.

Erstmals verliehen wurde in diesem Rahmen der von der DSA Daten- und Systemtechnik GmbH gestiftete Manfred-Nagl-Preis an Dr. Matthias Volk für seine herausragende Dissertation zum Thema „Dynamic Fault Trees: Semantics, Analysis and Applications“. Der Namensgeber des Preises hat Jahrzehnte die Entwicklung der Informatik an der RWTH geprägt. Als Sprecher des Auswahlgremiums betont Professor Stefan Kowalewski vom Lehrstuhl Informatik 11 (Embedded Software): „Der Manfred-Nagl-Preis hebt sich von anderen Dissertationspreisen in der Informatik dadurch ab, dass er die Verbindung von Erfolgen in der Spitzenforschung mit der Entwicklung innovativer Technologien auszeichnet. Damit passt er hervorragend zur Vision der RWTH Aachen, unternehmerisches Denken und Handeln als zentralen Bestandteil der RWTH-Kultur zu etablieren.“

Dr. Matthias Volk (Bildmitte), wurde mit dem erstmals verliehenen Manfred-Nagl-Preis ausgezeichnet.
Foto: Martin Braun

20.800 Fachanfängerinnen und -anfänger in 50 Jahren

Überhaupt stand der Festabend ganz im Zeichen der Entwicklung der Disziplin, natürlich samt einem Rückblick auf die Anfänge 1972. Als Gründungsvater des Studiengangs kann man Professor Walter Oberschelp bezeichnen, der auf einen Lehrstuhl „Angewandte Mathematik, insbesondere Informatik“ berufen wurde. Der erfuhr schnell Interesse aus weiten Teilen der Hochschule, auch wenn mancher noch über die „Fußkranken der Mathematik“ scherzte. „Andere Fachbereiche, besonders der Maschinenbau und die Medizin, überrannten uns mit Angeboten, Informatik-Diplomarbeiten durch eigene Aufgabenstellungen zu betreuen. Wiewohl zu erkennen war, dass keine altruistischen Motive dahinterstanden, schien es mir interessant, Informatik-Techniken an Anwendungsproblemen zu erproben.“

Ende der 1970er hatten sich bereits 500 Studierende in der Informatik eingeschrieben, 1985 waren es schon etwa 1000. Ein Jahr später wurde dann auch die Fachgruppe Informatik innerhalb der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften gegründet. Der wachsenden Bedeutung der Informatik wurde im Jahre 1999 auch äußerlich Rechnung getragen mit der Umbenennung in „Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften“. „Die Informatik hat sich in fünf Jahrzehnten radikal gewandelt und parallel dazu auch ihre Wahrnehmung von außen, sei es innerhalb der RWTH, im industriellen Umfeld oder in der Gesellschaft – alle sind heute wesentlich durch informatische Systeme geprägt“, erklärt der Sprecher der Fachgruppe Informatik an der RWTH, Professor Gerhard Lakemeyer.

Mehr als 4500 Informatikstudierende zählte die RWTH im vergangenen Wintersemester, die Gesamtzahl der Fachanfängerinnen und -anfänger über die vergangenen 50 Jahre lautet 20.800, insgesamt wurden 726 Promotionen abgeschlossen. An der RWTH ist sie in vielen Bereichen prägend, elementarer Bestandteil etwa des Exzellenzclusters „Internet of Production“, in den Profilbereichen, Zentren für Artificial Intelligence und für Simulation and Data Science, mit Sonderforschungsbereichen und persönlichen Forschungsförderungen wie den ERC Grants. Mit Wil van der Aalst (2018) und Holger Hoos (2022) konnten zuletzt zwei internationale Spitzenforscher mit Humboldt-Professuren für Aachen gewonnen werden – ein Beleg für die Bedeutung der Informatik an der RWTH auch im internationalen Vergleich.

„Das damals noch unbekannte Fach ist inzwischen zu einem massiven Stützpfeiler der RWTH geworden.“

„In den 70er Jahren konnte man nur vage erahnen, welchen Stellenwert dieses Fachgebiet sowohl für die Lehre und die Forschung, als auch für die Industrie und unsere Gesellschaft einmal haben wird. Das damals noch unbekannte Fach ist inzwischen zu einem massiven Stützpfeiler der RWTH geworden“, betonte RWTH-Rektor, Professor Ulrich Rüdiger, im Rahmen des Festabends. Und Festrednerin Christine Regitz erklärte: „Offenheit und Interdisziplinarität sind das A und das O für unsere Disziplin und werden hier in Aachen vorbildlich gelebt.“

– Thorsten Karbach

Prof. Walter Oberschelp, Gründungsvater des Studiengangs Informatik an der RWTH.
Foto: Martin Braun
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