Zum Berufseinstieg wünschen sich junge Frauen einen sinnvollen Arbeitsplatz im Maschinen- und Anlagenbau, an dem sie ernst genommen werden, sich entfalten und Karriere machen können.
Martin Braun

Ingenieurinnen für Unternehmen gewinnen und langfristig halten

Ein Empfehlungstool für Unternehmen, entwickelt am WZL der RWTH Aachen

Trotz einer Vielzahl an Initiativen steigt der Frauenanteil in Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus nur sehr langsam. Dabei birgt die Erhöhung des Frauenanteils in MINT-Berufen zahlreiche Potenziale für Unternehmen: dem aktuell vorherrschenden Fachkräftemangel entgegenwirken, die Innovationsfähigkeit steigern, eine modernere Arbeitskultur entwickeln und die eigene Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Im Auftrag der IMPULS-Stiftung des VDMA e. V. ermittelte eine Arbeitsgruppe des WZL der RWTH Aachen im Rahmen einer qualitativen Studie die Gründe für den Mangel an Ingenieurinnen. Darauf aufbauend entwickelten die Wissenschaftlerinnen konkrete Maßnahmen, mit deren Hilfe Unternehmen Ingenieurinnen gewinnen, halten und fördern können – und stellten sie in einem praktischen Online-Tool zusammen.

Das Ziel der Studie: Einblicke in die Erfahrungen, Bedürfnisse und Wünsche von Ingenieurinnen zu gewinnen und der tatsächlichen Situation in der Branche gegenüberzustellen. Dazu wurden zum einen angehende und erfahrene Ingenieurinnen befragt und zum anderen die Perspektive von Unternehmen durch Begehungen vor Ort, Interviews und Workshops mit Unternehmensvertreter*innen erhoben.


Die Möglichkeiten zur Förderung von Frauen im Maschinen- und Anlagenbau sind vielfältig

Die Ergebnisse der Untersuchungen entlang der Stationen Berufsorientierung, Jobsuche, Berufseinstieg und Berufsleben zeigen, dass die Möglichkeiten zur Förderung von Frauen in der Branche des Maschinen- und Anlagenbaus vielfältig und niedrigschwellig umsetzbar sind. Sie beginnen optimalerweise bereits in der Schulzeit und reichen bis in die individuelle Karrieregestaltung von berufstätigen Ingenieurinnen.

Über alle Berufsstationen hinweg sind Unternehmen, Schulen und öffentliche Einrichtungen gleichermaßen gefragt, das Berufsbild der Ingenieurin attraktiv und modern zu gestalten: Es gilt, mit dem „verstaubten“ Bild der Branche aufzuräumen und weibliche Vorbilder sicht- und greifbar zu machen. Ingenieurinnen sind innovativ und wichtig für unsere Zukunft, sie haben einen sicheren und attraktiven Beruf – das muss die Botschaft sein.

An der Schwelle zwischen Studium und Berufseinstieg fordern die jungen Frauen im Grunde nichts Außergewöhnliches: Sie wünschen sich einen sinnvollen Arbeitsplatz im Maschinen- und Anlagenbau, an dem sie ernst genommen werden, sich entfalten und Karriere machen können.

Dass die Erfüllung dieser Anforderungen aber keine Selbstverständlichkeit ist, berichten insbesondere erfahrene Ingenieurinnen im Rückblick auf ihre Karriere: Es gebe einen hohen Druck, sich anpassen zu müssen, um in der Männerdomäne überhaupt ernst genommen zu werden. Eine weitere Karrierebremse: die Elternzeit – denn Aufstiegsoptionen sind noch immer an die Erwartung „Vollzeit“ und „lückenlose Verfügbarkeit“ geknüpft. Die Studie zeigt, neben der aktiven Förderung von Frauen in Führungspositionen durch Teilzeit und Job-Sharing-Modelle steckt auch im sich wandelnden sozial-gesellschaftlichen Verständnis der Rolle von Vätern großes Entwicklungspotential. Denn der anstehende Kulturwandel betrifft Frauen und Männer gleichermaßen.

Ingenieurinnen sind innovativ und wichtig für unsere Zukunft, sie haben einen sicheren und attraktiven Beruf – das muss die Botschaft sein, die Unternehmen und Bildungseinrichtungen vermitteln müssen.
WZL

Es gilt, die Chance der Veränderung zu ergreifen

Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Chancengleichheit sind Aspekte, die in der Unternehmenskultur der Zukunft aktiv gefördert und transparent gemacht werden sollten, ebenso wie Beförderungsbedingungen und -prozesse. Ebenso gilt es, Rekrutierungsprozesse, Stellenausschreibungen und Webseiten mehr auf Bewerberinnen auszurichten.

„Für die Branche gilt es, die Chance der Veränderung zu ergreifen: Die befragten jungen Frauen fordern zunehmend ein, dass die Unternehmen auf sie zugehen und sich ihren Anforderungen anpassen“, so Johanna Werz, wissenschaftliche Mitarbeiterin am WZL der RWTH Aachen und eine der Studienautorinnen.

Während einige Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen und die Rekrutierung von Frauen bewusst gestalten, zögern andere, das Thema „Gleichstellung“ zu priorisieren. Sicherlich, die zu bedienenden Stellschrauben sind vielfältig und für viele Unternehmen stellt sich die Frage, was im Konkreten bei ihnen angepackt werden kann. Gleichzeitig zeigten die Begehungen der Unternehmen, wie hilfreich ein externer Blick, gezieltes Nachfragen und konkrete Hilfestellungen sind. Oftmals sind keine riesigen Veränderungen, sondern vielmehr kleine Schritte nötig – bei denen das WZL der RWTH Aachen gern unterstützt!

Professorin Ingrid Isenhardt, Akademische Direktorin am WZL, bleibt deshalb optimistisch:

„Ich kenne beeindruckende Beispiele von Unternehmen, die zeigen, dass Frauen mit Kompetenz und viel Freude in der Branche arbeiten können. Das klappt, wenn es von oben gewollt ist und durch konkrete Maßnahmen begleitet wird. Zögerlichkeit kann sich in diesem Feld heute keiner mehr leisten.“

Neben dem Bericht zu der Studie, der die Hintergründe und alle Ergebnisse ausführlich beschreibt, finden sich die konkret an Unternehmen gerichteten Empfehlungen auf der Webseite www.womengineers.de. Mit Hilfe einer Checkliste können Unternehmen hier ihren Handlungsbedarf ermitteln und Impulse erhalten.

Bei Fragen zur Studie oder zu Maßnahmen für Unternehmen wenden Sie sich gern an Johanna Werz, johanna.werz@ima.rwth-aachen.de oder Lea Daling, lea.daling@ima.rwth-aachen.de.

– Autorinnen: Johanna Werz, Lea Daling, Esther Borowski, Ingrid Isenhardt