Die Ergebnisse der Untersuchung des Lehrstuhls für Energiesystemökonomik zeigen, dass Haushalte in sehr unterschiedlichem Umfang von den gestiegenen Energiepreisen betroffen sind.
Peter Winandy

Auswirkungen der Energiekrise auf Privathaushalte

Energiepreise belasten soziale Gerechtigkeit und stabilisieren die Versorgung – eine Untersuchung des Lehrstuhls für Energiesystemökonomik der RWTH

Privathaushalte sind maßgeblich vom Anstieg der Energiepreise betroffen, der sich seit Aufhebung der Corona-Lockdowns abzeichnet; so zeigt eine Untersuchung des Lehrstuhls für Energiesystemökonomik der RWTH. Der Lehrstuhl hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Energiepreiskrise insbesondere in Folge des Krieges in der Ukraine wissenschaftlich qualifiziert zu überprüfen und messbar zu machen.

Zuletzt sorgte der Krieg in der Ukraine für eine dramatische Belastung der Privathaushalte, siehe Bild 1. Vor der Coronakrise gaben diese im Durchschnitt rund 7,0 Prozent ihres verfügbaren Jahreseinkommens für die Energieträger Strom, Erdgas, Heizöl, Benzin und Diesel aus. Dieser Anteil erhöhte sich bis zum September 2022 auf durchschnittlich 9,8 Prozent.

Durchschnittliche Preise von Privathaushalten für die Energieträger Strom, Erdgas, Heizöl, Benzin und Diesel im Januar 2020 vor der Coronapandemie, im Januar 2022 vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine und im September 2022.
eigene Berechnungen

Während die hohen Energiepreise sämtliche Privathaushalte belasten, sind diese unterschiedlich stark betroffen. Hinsichtlich der sozialen Gerechtigkeit stellt dies unsere Gesellschaft vor deutliche Herausforderungen.

Die Auswirkungen wurden in einer Studie des Lehrstuhls für Energiesystemökonomik untersucht[1].


40 Prozent höhere Energiekosten für Privathaushalte

Privathaushalte passen ihr Konsumverhalten bei Preisveränderungen ihrer relativen Kaufkraft an. Bei steigenden Energiepreisen reduzieren diese deshalb ihre Energieverbräuche. In den Wirtschaftswissenschaften werden diese Verbrauchsmengenänderungen in Relation zur Preisänderung gemessen als Preiselastizitäten der Nachfrage. In der Studie wurden solche Preiselastizitäten für die unterschiedlichen Energieträger für Haushalte abhängig von den jeweiligen Einkommen untersucht und modelliert. Auf dieser Basis wurden anschließend Auswirkungen der Energiepreiskrise für rund 60.000 repräsentative Haushalte simuliert und ausgewertet [2, 3]

Ein durchschnittlicher Haushalt mit vier Personen, der mit Erdgas heizt, gibt nun beispielsweise zusätzliche 3,7 Prozentpunkte seines verfügbaren Einkommens für Energie aus. Das entspricht auf das Jahr gerechnet Mehrausgaben von 2.828 Euro. Hiervon verursachen höhere Erdgaskosten einen Anteil von 63,3 Prozent beziehungsweise 1.790 Euro. Danach folgen anteilsmäßig Benzin und Diesel mit insgesamt 26,5 Prozent oder 748 Euro und schließlich elektrischer Strom mit 10,3 Prozent für 290 Euro.


Einkommensschwache Haushalte am stärksten belastet

Die Ergebnisse verdeutlichen auch, dass die Haushalte in sehr unterschiedlichem Umfang von den gestiegenen Energiepreisen betroffen sind. Hierfür wurden die Haushalte in zehn Einkommensdezile eingeteilt, jedes Dezil repräsentiert zehn Prozent aller Haushalte in Deutschland. Die Auswertung zeigt, dass einkommensschwache Haushalte von den gestiegenen Energiepreisen relativ zum jeweiligen Einkommen am stärksten betroffen sind. Über den Betrachtungszeitraum müssen die einkommensschwächsten Haushalte im untersten Dezil Durchschnitt zusätzliche 4,3 Prozent ihres Einkommens, 560 Euro, aufbringen, um ihre Energierechnungen zu bezahlen. Bei den einkommensstärksten Haushalten im obersten Dezil sind es 1,5 Prozent beziehungsweise 1.473 Euro, siehe Bild 2. Zwischen den Haushalten dieser Einkommensgruppen liegt damit ein Faktor von 2,6 für die absoluten Energiemehrausgaben. Allerdings liegt zwischen den verfügbaren Einkommen der Haushalte ein Faktor von 8,2. Diese Unterschiede schlagen sich letztlich auch in einer leichten Erhöhung des Gini-Koeffizienten in Höhe von 0,45 Prozentpunkten nieder. Der Gini-Koeffizient misst die Einkommensungleichheit in unserer Gesellschaft.

Durchschnittlicher Anteil des Einkommens privater Haushalte für Energie (Haushalts- und Heizstrom, Erdgas, Heizöl sowie Benzin, Diesel) nach Einkommensdezilen.
eigene Berechnungen

Hohe Preise tragen zur Sicherheit der Energieversorgung bei

Die gestiegenen Energiepreise belasten Privathaushalte erheblich, insbesondere die bereits heute von Armut gefährdeten. Jedoch verdeutlicht die Studie ebenfalls, dass die hohen Energiepreise gleichzeitig zu einer deutlich messbaren Reduktion der privaten Energieverbräuche führen, siehe Bild 3. Bei Preiseniveaus wie im September 2022 reduzieren Privathaushalte ihren jährlichen Erdgasverbrauch insgesamt um 67,4 Terawattstunden, ihren Heizölverbrauch um 1,9 Milliarden Liter, ihren Kraftstoffverbrauch um 2,3 Milliarden Liter (Benzin und Diesel kombiniert) sowie ihren Stromverbrauch um 1,5 Terawattstunden. Gerade im Kontext der schwierigen Versorgungslage durch den Wegfall russischer Energielieferungen tragen diese preisinduzierten Energieeinsparungen in nennenswertem Umfang auch zur Minderung von Versorgungsengpässen bei. Zum Vergleich: Erdgasimporte aus Russland hatten 2020 einen Umfang von rund 500 Terawattstunden.

Summe der Mehrausgaben und Verbrauchsänderungen privater Haushalte. Verglichen wird das Preis- und das Verbrauchsniveau im Januar 2020 zu denen im September 2022.
eigene Berechnungen

Politische Maßnahmen zwischen Entlastungen und Versorgungssicherheit

Die Politik versucht mit verschiedenen Maßnahmen einerseits Privathaushalte finanziell zu entlasten und soziale Härtefälle aufzufangen. Andererseits soll auch die Versorgungssicherheit durch eine Reduktion von Energieverbräuchen verbessert werden.

Bei der Diskussion um energiepolitische Maßnahmen sollten daher neben einer pauschalen Entlastung zum einen die sozialen Entlastungswirkungen berücksichtigt werden. So weisen die Studienergebnisse darauf hin, dass finanzielle Entlastungen bei Benzin und Diesel tendenziell eher zu einer Entlastung von einkommensstarken Haushalten führen. Einkommensschwächere Haushalte würden hingegen eher von einer Entlastung bei Erdgas profitieren.

Zum anderen sollten bei der Diskussion um geeignete Maßnahmen aber auch Auswirkungen der Maßnahmen auf die Energienachfrage berücksichtigt werden. Insbesondere bei preislichen beziehungsweise steuerlichen Erleichterungen wie Preisdeckeln oder Steuerrabatten sollte bedacht werden, dass diese zu einem gewissen Wiederanstieg der Energieverbräuche und damit auch zu einer Verschärfung der Energieknappheiten führen.

Den ausführlichen Bericht der Untersuchung können Sie in der aktuellen RWTH THEMEN-Ausgabe nachlesen.

Eine weitere Untersuchung zum Thema „Analyse der Wirksamkeit und Effizienz der Entlastungspakete der Bundesregierung“ (veröffentlicht am 28. Juli 2023) wurde ebenfalls von den beiden Autoren dieses Beitrags veröffentlicht.

Literaturhinweise:

[1] Praktiknjo, A. J., Priesmann, J., Kurzstudie: Auswirkungen steigender Energiepreise auf Einkommen und Energieverbräuche der privaten Haushalte, Lehrstuhl für Energiesystemökonomik, Aachen, RWTH-2022-03085, 2022. doi: 10.18154/RWTH-2022-03085.

[2] Forschungsdatenzentren der statistischen Ämter des Bundes und der Länder, „Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 - Grundfile 3 (AAGSHB), SUF, Version 1“. 2018. doi: 10.21242/63211.2018.00.04.3.1.1.

[3] Bach, S., u.a., CO2 pricing in the heat and transport sector: discussion of effects and alternative relief options (CO2-Bepreisung im Wärme- und Verkehrssektor: Diskussion von Wirkungen und alternativen Entlastungsoptionen). DIW Berlin: Politikberatung kompakt, 2019.

– Autoren: Aaron Praktiknjo, Jan Priesmann