Foto: Florens Förster

OpenGeoResearch – eine App für offene Fragen in den Geowissenschaften

Ein Beitrag der RWTH Aachen am „Wissenschaftsjahr 2022 – Nachgefragt“

Kann man Regenbogen eigentlich vorhersagen? Warum sind manche Bäume in der Stadt mit weißer Farbe angestrichen? Und wie kommt bitteschön Saharasand bis nach Mitteleuropa? Antworten auf all diese Fragen gibt die an der RWTH Aachen entwickelte App „OpenGeoResearch“, mit deren Hilfe jedermann Fragen an Ort und Stelle an die Wissenschaft stellen können.

„Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt bleibt dumm!“ – Was uns als Kinder schon früh in fröhlicher Liedform eingebläut wurde, scheiterte oft genug an der Ahnungslosigkeit unserer Eltern. Heute haben wir den Zugang zu allen erdenklichen Informationen mit dem Smartphone in der Hosentasche. Gibt es allerdings keinen übersichtlichen Wikipedia-Artikel, lässt der Sucheifer rasch nach. Hochmotivierte nehmen noch das Vorhaben später am Rechner mal genauer zu recherchieren mit nach Hause, aber wo findet man denn eigentlich heraus, wie es so um die Gewässergüte eines Flusses steht?

Abhilfe kann nun die mobile App „OpenGeoResearch“ schaffen, die vom Geodätischen Institut und Lehrstuhl für Bauinformatik & Geoinformationssysteme mit Unterstützung vom Geographischen Institut der RWTH entwickelt wird: Sie ergänzt die genannten W-Fragen um das raumbezogene „Wo?“ und ermöglicht es, Fragen in Verbindung mit dem dazugehörigen Ort zu stellen und mit hochgeladenen Bildern zu ergänzen. Die Fragen können dann von der Community beantwortet werden, die komplizierteren werden an Expert*innen weitergereicht, die auch detaillierte Informationen liefern.

Die App ist Teil des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) veranstalteten „Wissenschaftsjahres 2022 - Nachgefragt!“. Hierbei wurde eine Vielzahl an Projekten ins Leben gerufen, die den Dialog zwischen Wissenschaft und Bürger*innen fördern. Dabei sollen zum einen im klassischen Sinne der Wissenschaftskommunikation wissenschaftliche Arbeit und Erkenntnisse auf verständliche Art vermittelt werden. Zum anderen legt das Wissenschaftsjahr 2022 einen besonderen Fokus auf die entgegengesetzte Richtung: Bürger*innen wird eine Stimme verliehen, indem ihnen Anlaufstellen für ihre Fragen und Ideen angeboten werden. So soll nicht nur Wissen vermittelt werden, sondern umgekehrt auch die Wissenschaft etwas lernen: Die Interessen der App-Nutzenden sollen verortet und als Impulsgeber für zukünftige Forschungsfragen genutzt werden.

Die Wissenschaftsjahre sind eine Initiative des BMBF gemeinsam mit Wissenschaft im Dialog (WiD). Sie unterstützen seit 22 Jahren als zentrales Instrument der Wissenschaftskommunikation den Austausch zwischen Forschung und Gesellschaft. Das „Wissenschaftsjahr 2022 – Nachgefragt!“ lädt Bürger*innen deshalb dazu ein, ihre Fragen an die Wissenschaft zu stellen, eine kritische Anregung zu geben oder auch ihre ganz persönliche Vision für die Zukunft zu teilen. Denn: Wissenschaft und Forschung durchdringen alle Bereiche unseres Lebens. Ob es nun die wachsende Bedeutung von Algorithmen im Alltag oder die Auswirkungen unserer Lebensführung auf das globale Klima sind: Die Gesellschaft steht am Beginn des 21. Jahrhunderts vor großen Herausforderungen. Um diese gemeinsam zu meistern und unsere Gesellschaft aktiv zu gestalten, sind die Auseinandersetzung mit Forschungserkenntnissen und das Einbringen eigener Perspektiven entscheidend.

„Citizen Science“, partizipative Kommunikation

OpenGeoResearch bietet eine solche Möglichkeit für Interessierte mit den Geowissenschaften in Austausch zu treten. Auch hier sollen beide Kommunikationsansätze verfolgt werden: geowissenschaftliches Wissen soll von Wissenschaftler*innen an Interessierte vermittelt werden, aber ebenso können die Fragen Anregungen für regionale Forschungsprojekte sein. Partizipation von Bürger*innen an wissenschaftlichen Abläufen wird als „Citizen Science“ bezeichnet, also von jedermann betriebene Wissenschaft. Bei diesem momentan sehr gefragten Ansatz muss sich die Partizipation aber nicht auf das bloße Aufwerfen von Fragen beschränken. Bürger*innen können ebenso als „Wissensgeneratoren“ agieren oder ihre persönliche Expertise zur Verfügung stellen, was insbesondere im regionalen Kontext sehr wertvoll sein kann. Ein Beispiel können Auskünfte von älteren Anwohnerinnen und Anwohnern sein, die die Häufigkeit und Intensität von Hochwässern zu Zeiten vor regelmäßigen Pegelmessungen beschreiben können.

Das OpenGeoResearch-Projekt zielt darauf ab, „Interessierte“ und „Expert*innen“ zusammenzubringen, wobei sich die letztgenannte Gruppe wie zuvor beschrieben nicht auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschränken soll: Fragen können auch von jedem Mitglied der Community beantwortet werden, sodass zum einen auf besondere lokale Expertise zurückgegriffen werden kann und zum anderen auch Diskussionen zwischen den Beteiligten ermöglicht werden. Diese Diskussionen können einen besonders vielversprechenden Ansatz auch für die Entwicklung zukünftiger Forschungsperspektiven bieten.

Dieser partizipative Ansatz soll alle in Zusammenhang mit Klima, Umwelt und Stadt erlebbaren Inhalte abdecken: Die App lädt zu Fragen zu allen geowissenschaftlichen Themen wie Geologie, Klima, Vegetation, Geomorphologie, Hydrologie, aber auch zu verwandten Gebieten wie Stadt- und Regionalplanung oder Architektur ein. Die Fragen werden durch die Fragenstellenden nach Themenkategorien eingeteilt, was die Beantwortung aber auch die Navigation durch bereits gestellte Fragen für andere Nutzende erleichtert. Darüber hinaus kann die Frage um Tags ergänzt werden, um eine weitere Kategorisierung vorzunehmen.

Die Besonderheit der App ist aber vor allem die räumliche Verortung der Frage: Neben der Frage selbst und einem optionalen Foto vom Objekt/der Szene, zu der die Frage gestellt wird, werden die Geo-Koordinaten des Smartphones mittels GNSS erfasst. Dies ermöglicht eine präzisere Beantwortung der Frage. Kartographische Darstellungen von Sachverhalten sind ein Kernbereich der Geowissenschaften, die Phänomene immer auch in ihrer räumlichen Dimension abbilden. Erste Erfahrungen in der App haben bereits gezeigt, dass sich dieser Ansatz bewährt: Viele der Fragen lassen sich besonders gut durch den Einsatz von Karten beantworten. Die Vielzahl an webbasierten Kartendiensten, die heute frei zugänglich sind, ermöglicht es den Expert*innen direkt auf einen konkreten Ausschnitt eines bestimmten Kartenwerks zu verweisen. Dieses Vorgehen ist insbesondere im Hinblick auf den Aspekt der Umweltbildung relevant, denn diese frei zugänglichen Kartenwerke sind den wenigsten Laien bekannt. Ein Verweis auf die Anwendungen lädt ein zum weiteren „Stöbern“ im Angebot und initiiert so ein Auseinandersetzen mit räumlichen Daten und der Umgebung mit Fokus auf ein Interessensgebiet der Fragenstellenden.

Erste Erfahrungen in der App haben bereits gezeigt, dass sich dieser Ansatz bewährt: Viele der Fragen lassen sich besonders gut durch den Einsatz von Karten beantworten
Foto: Florens Förster

Kooperation mit Geoparks und Schulen

Eine besondere Form der Nutzung lokaler Expertise ermöglicht die im Aufbau begriffene Kooperation der OpenGeoResearch-App mit den UNESCO Global Geoparks Deutschland. Die Geoparks umfassen besondere Landschaftsbestandteile wie zum Beispiel das Felsenmeer im Natur- und Geopark Bergstraße-Odenwald. Diese Gebiete eigenen sich aus mehreren Gründen ideal für den Einsatz der OpenGeoResearch-App: Zum einen werfen die besonderen und oft markanten Landschaften Fragen auf. Zum anderen sind die Geoparks bewusst so konzipiert, dass sie als Touristenmagneten die Regionalentwicklung fördern sollen – das bedeutet eine hohe Anzahl von Personen, die wenige bis keine Vorkenntnisse zur Region haben. Abgerundet wird das Konzept durch die Mitarbeitenden der Geoparks, die nicht nur als lokale Guides, sondern auch als Expert*innen in der App mitwirken. Besucherinnen und Besucher der Geoparks profitieren so von einem digitalen und partizipativen Bildungsangebot, in dem sie Fragen, die über das bestehende Informationsangebot hinausgehen, stellen können. Auf der anderen Seite können die Geoparks die Interessen ihrer Besucher*innen besser kennenlernen und so langfristig maßgeschneiderte Informationsangebote etablieren, zum Beispiel auch in Form von Infotafeln genau dort, wo ein Thema besonders häufig nachgefragt wurde. Insbesondere bei der Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen für Themen des Umwelt- und Naturschutzes soll die App hier einen Beitrag leisten.

Mit diesem Ziel sollen auch Schulen in das Projekt miteinbezogen werden: Die App kann dort beispielsweise im Erdkundeunterricht und auf Exkursionen sowohl von den Schülerinnen und Schülern als auch den Lehrenden ergänzend eingesetzt werden. So ermöglicht sie während schulischen Exkursionen die Kartierung und Erfassung von Fragen, die dann später in den Unterricht integriert und besprochen werden können.

Wer jetzt neugierig geworden ist und die OpenGeoResearch-App selbst beim nächsten Spaziergang durch die Stadt oder auf der nächsten Wanderung nutzen möchte, kann sie kostenlos über den Google Play Store oder den App Store installieren. Fragen können über das „+“ auf dem Startbildschirm hinzugefügt werden, das Anlegen eines Nutzer*innenprofils ist optional. Zur bestmöglichen Beantwortung der Frage sollte man den Standort miterfassen, ansonsten sind oft nur vage Antworten möglich. Der Funktionsumfang wird kontinuierlich und Hand in Hand mit der Community weiterentwickelt – Feedback ist daher jederzeit herzlich willkommen.

– Larissa Böhrkircher