Die RWTH-Professoren Martin Grohe und Heinz Pitsch (von links) erhalten mehrere Millionen Euro Forschungsförderung durch die Europäische Union
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Prestigeträchtige Förderungen

Der Europäische Forschungsrat unterstützt RWTH-Forschende in drei Förderlinien

Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert Spitzenwissenschaftler, um Grundlagenforschung und visionäre Projekte voran¬zu¬treiben. In den letzten Wochen und Monaten wurden wieder Wissenschafler*innen der RWTH mit diesen prestigeträchtigen Förderungen in drei Förderlinien - der ERC Starting Grant für Nachwuchswissenschaftler*innen in einem Zeitfenster von zwei bis sieben Jahren nach der Promotion, der ERC Consolidator Grant für Forschende in einem Zeitfenster von sieben bis 12 Jahren nach der Promotion sowie der ERC Advanced Grant für herausragende, bereits etablierte Forscher – bedacht.

ERC Advanced Grants

Die RWTH-Professoren Martin Grohe und Heinz Pitsch werden vom Europäischen Forschungsrat – kurz ERC – mit sogenannten Advanced Grants gefördert. Pitsch ist der erste Wissenschaftler an der RWTH, der bereits zum zweiten Mal mit einem Advanced Grant ausgezeichnet wird. Beide Professoren werden nun für jeweils fünf Jahre durch den ERC mit jeweils rund 2,5 Millionen für ihre Forschung und die dafür erforderliche Geräteausstattung gefördert.

Heinz Pitsch beschäftigt sich als Leiter des RWTH-Instituts für Technische Verbrennung vor allem mit der Erforschung erneuerbarer Energieträger im Bereich der thermochemischen Energieumwandlung. Eine besondere Rolle kommt hier wasserstoff-basierten Brennstoffen zu, da diese keine klimaschädlichen Abgase verursachen und sehr gut für Speicherung sowie Transport der aus Solar- und Windkraftanlagen produzierten Energie eingesetzt werden können. Für die energetische Nutzung des Wasserstoffs bietet die Verbrennung große Vorteile, ist aber gleichzeitig mit Herausforderungen verbunden, die im Forschungsprojekt HYDROGENATE untersucht, verstanden und genutzt werden sollen. Diese Forschung leistet einen wichtigen Beitrag zur Energiewende.

Die Forschungsthemen von Professor Martin Grohe umfassen Algorithmen und Komplexität, Logik, Datenbanktheorie, Graphentheorie und Maschinelles Lernen. Ziel seines ERC-Projektes ist, eine übergreifende Theorie von sogenannter Graphähnlichkeit zu entwickeln und ihre Anwendbarkeit für praxisrelevante Probleme zu demonstrieren. Graphen sind vielseitige Modelle zur Darstellung komplexer Daten von chemischen Molekülen bis zu hin sozialen Interaktionen. Bei der Analyse von graphbasierten Daten ist es eine grundlegende Aufgabe, Graphen zu vergleichen und ihre Ähnlichkeit auf semantisch sinnvolle und algorithmisch effiziente Weise zu messen. Ein zentrales Problem ist das sogenannte Graphisomorphieproblem. Es fragt nach einem effizienten Algorithmus, der entscheidet, ob zwei Graphen strukturell identisch sind. Im Rahmen seiner Ähnlichkeitstheorie wird Grohe mit seinem Team dieses Problem aus einem neuen Blickwinkel angehen.

Die RWTH-Forschenden Professorin Laura De Laporte und Professor Rafael Kramann werden vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit Consolidator Grants gefördert
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ERC Consolidator Grants

Noch nicht ganz so weit stehen Professorin Laura De Laporte und Professor Rafael Kramann, die mit Consolidator Grants gefördert werden. Die Consolidator Grants unterstützen in einer Phase der Konsolidierung des eigenen Forschungsteams oder -programms, so der ERC. Nachgewiesen werden muss dafür der bahnbrechende Charakter, der Ehrgeiz und die Durchführbarkeit des wissenschaftlichen Vorschlags.

Laura De Laporte und Rafael Kramann werden für jeweils fünf Jahre durch den ERC gefördert. Beiden war es bereits gelungen, zuvor einen ERC Starting Grant zu erhalten.

Die Chemikerin Laura De Laporte ist Professorin im Lehr- und Forschungsgebiet Advanced Materials for Biomedicine der RWTH und der Uniklinik RWTH Aachen sowie am DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien. Mit ihrem Forschungsprojekt „HEARTBEAT“ will De Laporte mit ihrem Team mit traditionellen Methoden zur Herstellung von 3D-Biomaterialien brechen, indem eine Vielzahl einzigartiger vorprogrammierter, stabförmiger und interaktiver Mikrogele anstelle von molekularen Bausteinen zusammengesetzt und vernetzt werden. Ziel ist, makroporöse, ausgerichtete, aktivierbare und bei Bedarf abbaubare Konstrukte nach dem automatischen Mischen verschiedener Mikrogele und Stammzellen zu erreichen, was mit herkömmlichen Hydrogelen nicht möglich ist. In HEARTBEAT wird sich De Laporte auf die Verwendung interaktiver Bottom-up-Mikrogelanordnungen fokussieren, um vaskularisiertes schlagendes Herzgewebe im Millimetermaßstab zu erzeugen.

Professor Rafael Kramann ist Leiter des Instituts für Experimentelle lnnere Medizin und Systembiologie der RWTH und Oberarzt in der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, rheumatologische und immunologische Erkrankungen an der Uniklinik RWTH Aachen. Ziel des Projekts „TargetCKD“ ist, mit modernsten Methoden Nierenerkrankungen zu entschlüsseln und sowohl diagnostische als auch neue therapeutische Ansätze zu entwickeln. Chronische Niereninsuffizienz betrifft über zehn Prozent der Bevölkerung in Europa, und es existieren keine guten Biomarker, um Erkrankungsverlauf zu prognostizieren oder nicht-invasiv spezifische Nierenerkrankungen zu diagnostizieren. Zudem existieren keine guten Therapiemöglichkeiten. Kramann will mit seinem Team im Rahmen des Consolidator Grants neue Biomarker sowie nicht-invasive diagnostische Methoden und neue Therapien entwickeln. Ziel ist eine personalisierte Medizin für Patientinnen und Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz. Die Forschung konzentriert sich dabei insgesamt auf das Verständnis chronischer Nierenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Organfibrose (Kramann Laboratory).

Dr. Yang Shi, Dr. Christoph Kuppe und Professor Michael Schaub (v.l.n.r.) erhielten Starting Grants des ERC
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ERC Starting Grants

Für die sogenannten Starting Grants des ERC sollten die Antragsteller*innen herausragende Vorarbeiten vorzuweisen haben und müssen den Antrag maximal sieben Jahre nach Abschluss der Promotion einreichen. Professor Michael Schaub, Juniorprofessor für Computational Network Science in der Fachgruppe Informatik, Dr. Christoph Kuppe, Arbeitsgruppenleiter im Institut für Experimentelle Innere Medizin und Systembiologie, und Dr. Yang Shi, Gruppenleiter am Lehrstuhl für Experimentelle Molekulare Bildgebung, waren mit ihren Anträgen erfolgreich und erhalten nun jeweils bis zu 1,5 Millionen Euro für ihre weitere Forschung.

Komplexe Netzwerke sind in unserer Welt nahezu omnipräsent: von vernetzten Systemen wie dem Internet über neuronale Netzwerke im Gehirn bis hin zu sozialen Netzwerken. Professor Michael Schaubs Forschung beleuchtet aus theoretischer und praktischer Sicht insbesondere das Wechselspiel zwischen Struktur und dynamischen Prozessen, die sich in einem Netzwerk abspielen. Dazu kombiniert seine Arbeitsgruppe daten- und modellbasierende Methoden aus Feldern wie dem maschinellen Lernen und der Theorie dynamischer Systeme. Schaubs erfolgreicher Antrag „HIGH-HOPeS - Higher-Order Hodge Laplacians for Processing of multiway Signals“ hat das Ziel, effiziente Methoden zu entwickeln, mit deren Hilfe sich insbesondere Relationen zwischen mehreren Knoten besser verstehen lassen.

Nierenerkrankungen, vor allem im Rahmen eines Diabetes mellitus, auch diabetische Nephropathie genannt, stellen weltweit ein zunehmendes Problem für die Gesundheitssysteme dar. Dr. Christoph Kuppe und sein Team erforschen in dem von der Europäischen Union geförderten Projekt „Decoding diabetic kidney disease, DECODE-DKD“ neue pathophysiologische Grundlagen zu Krankheitsmechanismen der diabetischen Nephropathie. Ziel ist, neue patienten-zentrierte Methoden einzusetzen, um neue Therapien zu entwickeln. Im ersten Schritt wird für jede Zelle der Niere eine „Landkarte“ der regulatorischen Genveränderungen erstellt, um ein besseres Verständnis der pathophysiologischen Veränderungen zu erhalten. Zudem werden diese Daten genutzt, um den Krankheitsverlauf von Patientinnen und Patienten besser vorhersagen zu können. Um letztlich neue Medikamente entwickeln zu können, werden „Mini Nieren“ (3D-Zellkulturmodelle) basierend auf humanen Stammzellen verwendet.

Die Immuntherapie hat die Krebsbehandlung wesentlich vorangebracht. Dennoch kann Krebs weiterhin nur bei einem Bruchteil der Patientinnen und Patienten vollständig geheilt werden. Seit 2016 konzentrieren sich Dr. Yang Shi und seine Forschungsgruppe auf die Entwicklung polymerer therapeutischer Systeme, um die Krebsimmuntherapie bei mehr Erkrankten wirkungsvoller zu gestalten. Die Gruppe hat dazu bereits mehrere auf Biomaterialien basierende Strategien entwickelt, um die Krebsimmunität durch Aktivierung sogenannter antigenpräsentierender Zellen und T-Zellen zu stimulieren. Mit dem durch den Starting Grant geförderten Projekt „BeaT-IT“ wird Yangs Gruppe neuartige Polymerbiomaterialien im Nano- bis Makrobereich einsetzen, um die Krebsimmuntherapie zu verstärken. Das Projekt zielt darauf ab, ein besseres Verständnis davon zu gewinnen, wie B-Zellen, die die Bildung von Antikörpern verantworten, in der Krebsimmuntherapie moduliert und genutzt werden können.

– Thorsten Karbach