Wie Lego-Steine
Kopplungselemente für modulare Satelliten
Das Institut für Strukturmechanik und Leichtbau der RWTH – kurz SLA – entwickelt einen Stecker, der nun erstmals auf der ISS bei einem In-Orbit-Test im Einsatz ist. Das ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer nachhaltigen Raumfahrt.
Satelliten der Zukunft sollen sich wie Lego-Steine auseinanderbauen und immer wieder neu zusammensetzen lassen können. Diese Vision ist internationaler Konsens in der Raumfahrt, denn nur so lässt sich das Problem Weltraumschrott und auch die damit verbundene Sicherheit im Weltraum anpacken, weil solch eine neue Generation von modularen Satelliten im Weltraum repariert werden könnte. Das Institut für Strukturmechanik und Leichtbau der RWTH leistete für die nächste Generation modularer Satelliten Forschung an maßgeblicher Stelle im Projekt iBOSS (intelligent Building Blocks for On-Orbit Satellite Servicing and Assembly): ¬Neben der Primärstruktur der Satellitenmodule wurde insbesondere die Schnittstelle, die diese miteinander verbindet, erforscht. Vereinfacht formuliert entwickelten die Aachener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den passenden Stecker, iSSI (intelligent Space System Interface) genannt, eine Art USB for Space.
Die RWTH meldete 2014 ein Patent an, die Idee wurde über die Ausgründung iBOSS GmbH inzwischen in Europa, den USA und anderen Raumfahrtländern auf den Markt gebracht. Das System wird jetzt erstmals im Weltraum erprobt. Am 19. Februar startete die iSSI mit einer US-Raumfahrt-Mission auf die internationale Raumstation ISS. Dort wird sie auf dem japanischen Teil der ISS erstmals in einem Experimenttieraufbau in einem Außeneinsatz miteinander verbunden und wieder gelöst. Dabei lassen sich im verbundenen Zustand über die Schnittstelle des Stecksystems nicht nur mechanische Lasten sondern auch Daten und Strom übertragen.
„Unser Ansatz ist revolutionär, potenziell setzt unser System einen Standard wie beispielsweise der USB-Stecker.“
Revolutionärer Ansatz
Für Professor Kai-Uwe Schröder, Leiter des SLA, und sein Team ist dies ein Meilenstein: Satellitenmodule lassen sich überall und damit auch im Weltraum Dank einfacher Handhabe immer wieder neu zusammensetzen. „Unser Ansatz ist revolutionär, potenziell setzt unser System einen Standard wie beispielsweise der USB-Stecker. Eine erfolgreiche Demonstration unter Raumfahrtbedingungen, im Vakuum und unter kosmischer Strahlung, wäre der große Durchbruch“, erläutert Schröder. „Wir haben die Chance, die Raumfahrt endlich nachhaltiger zu gestalten.“
Defekte Bauteile ließen sich künftig austauschen, um die Lebensdauer und Funktion eines Satelliten deutlich zu steigern. So werden beispielsweise in Satelliten sogenannte Drallräder eingesetzt, um ihre Lage im Raum zu kontrollieren. Wenn die Drallräder nicht mehr funktionieren, lässt sich der Satellit nicht mehr ausrichten – er steht somit nur eingeschränkt oder gar nicht mehr zur Verfügung. Integrierte Drallräder in einem Baumodul können bei Defekt ersetzt werden. Letztlich sind Satelliten durch diesen möglichen On-Orbit-Service sogar um weitere Bauteile und Funktionen erweiterbar.
Seit 2010 ist das RWTH-Institut an einem Forschungsprojekt der DLR zu modularen Satelliten beteiligt. Zwölf Jahre später wird die Idee realisierbar, Bausteine eines Satelliten auf der Erde zu erstellen und im Orbit zusammenzusetzen. Für ihren iSSI-Ansatz wurde die RWTH-Ausgründung „iBOSS“ jüngst mit dem „Innovation in Space“-Award ausgezeichnet.
Positive Erfahrungen sammelte das Aachener Forscherteam mit der iSSI bereits auf der Erde. So wird der Stecker im Projekt upBUS eingesetzt, einem hybriden Mobilitätskonzept, bei dem ein Fahrzeug zwischen einer Luftseilbahn und einem autonomen Busbetrieb wechselt. Bei diesem Übergang muss in die Seilbahntechnik ein- und ausgekoppelt werden.
Erfolgreiche Tests
Laut Thomas A. Schervan, Geschäftsführer der iBOSS GmbH, ist die iSSI Schnittstelle inzwischen seit Mitte März 2022 auf der japanischen Außenexperimentierplattform Kibo der ISS im Betrieb. Bisher wurde erfolgreich die Daten- und Stromübertragung getestet. Diese Tests erfolgten in einem Dauertest der zeigen sollte, dass die Technologie längere Zeit, in diesem Falle mehrere Wochen am Stück, in der Lage ist, die gewünschte Datenverbindung bzw. Leistung aufrecht zu erhalten. Das System soll schließlich in Zukunft Satellitenmodule miteinander koppeln und muss in diesem Fall zehn Jahre und mehr zuverlässig im Weltall arbeiten können. Die Tests der mechanischen Entkopplung und erneuten Kopplung der Schnittstelle, die das Lösen und neu Verbinden eines Satellitenmoduls widerspiegelt, stehen bald an. Mit diesen letzten Tests wären die Hauptmeilensteine der IOD (In-Orbit-Demonstration) erfolgreich geprüft: Datenübertragung, Stromübertragung und mechanische Verbindung. Im Anschluss folgen noch weitere Test, die die Robustheit und Belastbarkeit des iSSI Systems prüfen sollen.
Mit der Mission auf der ISS – die RWTH ist dort ebenfalls am AMS-Projekt beteiligt und ihr Alumnus Matthias Maurer war bis vor Kurzem als Astronaut dabei – steht der nächste große Schritt an. Die Vision ist eine extraterrestrische Anwendung – etwa bei der Installierung von Stationen auf fernen Planeten.
– Thorsten Karbach
Weitere Informationen:
iBOSS