Bergbau 4.0: sicher, sauber, digital und autonom
Wie lange gibt es Bergbau eigentlich schon? Nachweislich seit mindestens 9.000 Jahren, er hat also schon in der Steinzeit den Fortschritt der Menschheit erst ermöglicht. Und wer hätte gedacht, dass der älteste Bergbau tatsächlich der Farbe gilt. Seit der Steinzeit bauten die Menschen nämlich sogenannten Rötel ab – wenn sie ihn brauchten. Aus Rötelpigmenten wurde dann Farbe hergestellt, oder die roten Pigmente kamen zu kultischen Zwecken zum Einsatz. Dann wurden Feuersteine abgebaut. Mit ihnen ließ sich nicht nur Feuer entzünden, sie eigneten sich ebenso zur Herstellung von Klingen und Faustkeilen sowie anderen Werkzeugen: Wärme und höhere Jagderfolge befeuerten eindeutig den Fortschritt.
Nach diesen primitiven Anfängen entwickelte sich der Bergbau rasant weiter – und erschloss der Menschheit immer mehr und wertvollere Rohstoffe. Die für den Bergbau geschaffenen Technologien wie bspw. Pumpen und Dampfmaschinen fanden auch in anderen Wirtschaftsbereichen vielfache Verwendung. Auch heute noch hat der Bergbau überragende Bedeutung für unsere Wirtschaft und für unseren Alltag, denn er ist die Grundlage und sichert die notwendige Bereitstellung von mineralischen Rohstoffen, also solchen, die nicht aus Tieren oder Pflanzen gewonnen werden oder auf dem Feld wachsen: Salze, Sand, Kies, Natursteine, Metalle, seltene Erden und viele mehr. Kurzum: Unsere heutige Zivilisation wäre ohne den Bergbau nie entstanden, und unsere heutige Gesellschaft könnte ohne ihn nicht weiter existieren.
Wegen seiner überragenden Bedeutung für die Gesellschaft gab es schon früh rund um den Bergbau, die Nutzung und Verarbeitung der gewonnenen Industrierohstoffe und die dazu erforderlichen Maschinen Forschung – aus ihr ist letztlich die RWTH Aachen entstanden. Deren Fakultäten brachten und bringen bis heute viele Erkenntnisse und praxisrelevante Innovationen hervor, die, wie das Beispiel Bergbau zeigt, weltweite Beachtung fanden und finden – damals wie heute. Und in Zukunft!
Dennoch hat der Bergbau in großen Teilen der Öffentlichkeit keinen guten Ruf. Sein Image ist geprägt von den vier Ds: Dark, Dirty, Dusty, Dangerous – der rußschwarze, hustende Bergmann ist seine Inkarnation. Professorin Dr-Ing. Elisabeth Clausen, Leiterin des Instituts für Advanced Mining Technologies (AMT) an der Fakultät für Georessourcen und Materialtechnik der RWTH Aachen, will das veraltete, buchstäblich staubige Image aufpolieren: durch Bergbau 4.0. Und dies nicht als Selbstzweck, der für uns alle notwendige Bergbau soll sicher, sauber, autonom und ökologisch und damit auch sozial akzeptierter werden – durch ihre Forschungsschwerpunkte Digitalisierung und Automatisierung. Gemeinsam mit ihrem interdisziplinären Team von etwa 70 jungen und kreativen Köpfen forscht sie an neuen Lösungen und Technologien im Bereich sensortechnischer Systeme und deren Integration in Bergbaumaschinen und -prozesse für die Gewinnung von Rohstoffen im Tiefbau, Tagebau und Tiefseebergbau. Damit trägt sie durch die Entwicklung von robusten, vernetzten und autonomen Systemen zu einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Rohstoffversorgung bei.
Selbst mit einer „perfekten“ weltweiten Recyclingkette bräuchten wir die Rohstoffe des Bergbaus zur weiteren Vergrößerung des Inventars an Rohstoffen, die im Einsatz sind, beispielsweise um die Energiewende und den Klimaschutz erst zu ermöglichen: Der Bedarf an einzelnen Rohstoffen, unter anderem für Batterien und andere Zukunftstechnologien, wird weltweit ansteigen, bei immer schwieriger werdenden Abbaubedingungen. So wie es kein Perpetuum mobile geben kann, kann es auch kein „perfektes“ Recycling geben, es wird immer zu Verlusten aus dem Kreislauf kommen, die ersetzt werden müssen.
Deswegen gehe es darum, so Clausen, den Bergbau sicherer zu machen, seinen enormen Energiebedarf zu reduzieren und seine ökologischen Folgen zu minimieren. Die Vision ist ein minimal invasiver und nahezu unsichtbarer Bergbau, in dem sich eine völlig autonome Maschine durch die Lagerstätte arbeitet und Rohstoffe mit erneuerbaren Energien fördert, im Einklang mit den wachsenden und konkurrierenden Nutzungsansprüchen, die sich aus den ökologischen Zielen ergeben.
Am AMT bringen Elisabeth Clausen und ihr Team den Maschinen im Bergbau das „Fühlen“, „Sehen“, „Hören“ und „Lernen“ bei, das heißt die eingesetzten Maschinen erhalten eine Vielzahl neuer Sensoren und werden „intelligent“ gemacht und kommunizieren miteinander: „Smart Mining“ – die Rohstoffgewinnung der Zukunft. Die am AMT entwickelten Technologien schaffen die Basis für einen angestrebten autonomen und ressourceneffizienten Bergbau. Selbstfahrende und natürlich elektrisch betriebene Fahrzeuge wissen, wann sie wohin fahren müssen und welche Aufgabe sie dort autonom erfüllen müssen.
„Kleine Effizienzgewinne bewirken hier sehr viel: man muss sich dafür nur vorstellen, dass manche Bergwerke unter Tage über Streckensysteme von mehreren Hundert Kilometern verfügen – und dass man für die Gewinnung vieler Metalle das Hundertfache ihres Gewichts an Gestein bewegen und anschließend aufbereiten muss. Weniger Abraum, weniger Bewegung, mehr Autonomisierung spart Energie und erhöht die Sicherheit“, erläutert Professorin Clausen.
Bergbau 4.0 ist damit auch Teil der nationalen Rohstoffstrategie, die auf drei Säulen fußt: heimische Rohstoffgewinnung, Importsicherung und Recycling. Denn der vom AMT forcierte Bergbau 4.0. trägt dazu bei, den Bergbau in Europa einerseits sowohl sozial akzeptierter als auch wieder wirtschaftlicher zu machen und andererseits durch Wissenstransfer in andere Bergbauländer den zukünftigen Import von Rohstoffen zu sichern. Der Bergbau weltweit braucht Innovationen, um knapper werdende und schwieriger zu fördernde Rohstoffe nachhaltig und wirtschaftlich abbauen zu können. Mit über 95 Prozent Exportanteil stellt der bergbaubezogene Maschinenbau in Deutschland diesen Wissenstransfer seit Jahren unter Beweis.
Förderoptionen
„Technologische Innovationen tragen zu Sicherheit, Ressourceneffizienz und Umweltschutz bei der Rohstoffgewinnung bei. Die Digitalisierung als ein Aspekt kann dabei für den industriellen Bergbau aber auch für den Kleinbergbau eine große Chance zur Lösung vieler ökonomischer, ökologischer und sozialer Probleme sein.“
Vita
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Elisabeth Clausen
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Elisabeth Clausen, 38 Jahre, ist Inhaberin der Professur „Advanced Mining Technologies“ und Leiterin des gleichnamigen Institutes und Lehrstuhls an der Fakultät für Georessourcen und Materialtechnik der RWTH Aachen. Zuvor war sie am Institut für Bergbau der TU Clausthal in der Abteilung für Maschinelle Betriebsmittel und Verfahren im Bergbau unter Tage beschäftigt und im Rahmen ihrer Beflissenenausbildung in verschiedenen Betrieben im In- und Ausland im Tiefbau, Tagebau, im Bereich der Erdölförderung, im Tunnelbau sowie in der Maschinenzulieferindustrie tätig. Für ihre innovativen Lehrkonzepte wurde sie mehrfach ausgezeichnet.
Eine sichere und nachhaltige Rohstoffversorgung als globale Aufgabe
Mineralische Rohstoffe haben eine elementare Bedeutung für unsere Gesellschaft: wir benötigen sie nicht nur in alltäglichen Produkten und Infrastrukturen. Auch Themen wie Elektromobilität und Energiewende wären ohne sie undenkbar. Eine sichere und verantwortungsvolle Versorgung mit den notwendigen und teils kritischen Rohstoffen ist eine globale gesellschaftliche Herausforderung und Aufgabe. Denn primäre Rohstoffe sind immer ortsgebunden und werden mittels Bergbau aus der Erde gewonnen. Die Art der Rohstoffgewinnung reicht dabei von der manuellen Gewinnung im artisanalen Kleinbergbau bis hin zu hoch automatisierten Großbetrieben. Ziel ist es, durch die Entwicklung und Demonstration von (Sensor-)Technologien zu einem digital vernetzten, autonomen und CO2-neutralen Bergbau beizutragen.