Plastik-Upcycling mit Mikroben

Plastik überschwemmt die Welt. Und weil es bisher kaum recycelt wird, wird das Problem größer und größer. Professor Lars M. Blank, Leiter des Instituts für Angewandte Mikrobiologie, forscht mit seinem Team an einer Lösung: an Mikroben, die Plastik verarbeiten und in Wertstoffe umwandeln können. Also Upcycling par excellence.

Klar, aus einer alten Plastikflasche eine neue zu machen ist einfach. Das Problem ist jedoch, dass der Plastikmüllberg nie nur aus Plastikflaschen besteht. Viel mehr sind die Müllberge heterogene Mischungen aus Plastikabfällen unterschiedlicher Natur. Aus diesen kann bis dato nicht einfach ein hochwertiger Wertstoff gewonnen werden. Doch genau das ist Blanks Anspruch. „Aus Plastikabfällen können Bioplastik, Detergenzien – also Reinigungsmittel – oder etwas anderes werden“, erläutert er.

Das Motto lautet: „Plastic waste to plastic value“.

Die Forschergruppen im Blank-Lab wollen Mikroben, also Mikroorganismen für die Umwelt, die Gesellschaft und die Wirtschaft nutzbar machen. „Wir untersuchen den Metabolismus von Bakterien und Pilzen, um eine große Anzahl an Anwendungsbereichen optimieren und kontrollieren zu können; ausgehend von der Produktion von Chemikalien bis hin zu gesunder und nachhaltiger Ernährung“, erläutert der promovierte Ingenieur Blank.

In der Science-Fiction-Serie Star Trek gibt es den sogenannten Replicator. Eine Maschine, die anfangs Essen auf Wunsch synthetisiert, später dann alles Mögliche herstellt. Um Essen geht es Blank nicht, wohl aber um den Ansatz, etwas Neues, Hochwertiges aus Plastikmüll zu transformieren. Die Mikroben machen diese Arbeit. Sie sind der Bio-Katalysator. Sie nutzen die Energie, die im Plastikmüll steckt, für die Transformation. Am Ende des mikrobiellen Umwandlungsprozesses steht „Bioplastik“, also mikrobiell erzeugte Polymere, die konventionellen Kunststoff in vielen Anwendungen ersetzen können. So wird aus Plastikmüll ein neuer Rohstoff, der nicht extra wieder aufwendig produziert werden muss. Wertvolle Ressourcen werden am Ende gespart und kein weiteres CO2 freigesetzt:

„Jede Tonne Erdöl, die wir im Boden lassen können, müssen wir dort lassen.“

Blank designt dafür verschiedene Mikroben entweder selber, was „Genomeditierung“ genannt wird, oder wartet nur eine kurze Zeit, bis die Mikroben über Mutationen bestimmte Eigenschaften entwickeln, die sie haben sollen. So etwas nennt der Biologe „adaptive Laborevolution“.

Durch die biotechnologische Nutzung von Mikroorganismen zur Verwertung von Abfällen und Produktion nützlicher Moleküle wird ein ökonomischer Wandel – weg von fossilen rohstoffzehrenden, linearen Produktionsprozessen, hin zu einer zirkulären Ökonomie – angestrebt. Ziel muss sein, die Wirtschaft nachhaltig zu verändern, klima- und ressourcenschonend. Mit der passenden Mikroben-Zusammensetzung kann Blank aus einer bunten Mischung Plastikmüll eine breite Palette hochwertiger Rohstoffe erzeugen. Mikroben geben Müll einen bisher nie dagewesenen Mehrwert.

Für fünf Millionen Euro kann Blank die Forschung beschleunigen, um schneller die Grundlagen und Werkzeuge zu schaffen für Mikroben, die speziell designt werden müssen, damit sie aus bestimmten Plastikmüll-Mischungen besonders gefragte Rohstoffe herstellen können. Mit 20 bis 100 Millionen Euro könnte eine Bio-Testfabrik aufgebaut werden, die diese Technologie zur Marktreife führt. Seine Strategien verfolgt Blank dabei Hand in Hand mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Bereiche Biotechnologie, Chemie und Verfahrenstechnik.

Die Zeit drängt. Weil Plastik die Welt überschwemmt und kaum recycelt wird, zirkuliert es auch immer mehr dort, wo die Menschheit es nicht haben will. Mikroplastik ist im wahren Sinne des Wortes in aller Munde: in Rückständen in unserer Nahrung und Getränken. Dabei sind die Gefahren von Nano-Plastik-Partikeln noch nicht bekannt und sollten sicherlich nicht konsumiert werden.

Förderoptionen

Mit einer Investition von 1,5 Millionen Euro könnten mikrobielle Lern-/Lehrangebote für Schulen und die generelle Öffentlichkeit entwickelt werden. Angestrebte Meilensteine sind zunächst eine Lehrerhandreichung und ein Fortbildungskurs (1,5 Jahre) und dann ein Serious Game „Wie Mikroben helfen können“ (3 Jahre). Die langfristige Perspektive liegt darin, dass Mikroben zur persönlichen Gesundheit und bis hin zum Klimawandel beitragen können. Ein klares Verständnis in Bezug auf Mikroben eröffnet in Zukunft eine enorme Chance, auch in anderen Einsatzfeldern.

Mit einer Investition ab 5 Millionen Euro könnte eine Bio-Foundry gestartet werden, um Mikroben schnell und gekonnt für den Einsatz „plastic waste to plastic value“ zu verbessern. Nach drei Jahren wäre es ein Meilenstein, wenn eine Mikrobe zwei verschiedene Plastiksorten als Nahrung für die Herstellung von Wertstoffen verwenden könnte. Die langfristigen Chancen neuer Mikroben sind vielseitig: Die schnelle Entwicklung von sehr guten Ganzzell-Biokatalysatoren wird es zukünftig erlauben, Beiträge im Bereich Gesundheit, Ernährung, Umwelt und nicht zuletzt Klima zu erarbeiten. So können Hochleistungsmikroben Beiträge zum Plastikrecycling liefern (Plastik als Nahrung, Bioplastik als Produkt) und damit unseren CO2-Abdruck ver­ringern und, ganz wichtig, perspektivisch mithelfen, dass CO2 wieder aus der Luft zu holen.

„Wir retten die Welt, indem wir dazu praktische Pro­blemlösungen durch Mikroben erforschen – aus einem Verständnis des mikrobiellen Stoffwechsels heraus kommen wir zu einem Mikroben-Design, welches neue Anwendungen ermöglicht. Die Vision ist eine erdölfreie Chemieindustrie, basierend auf Biomasse, CO2 und grünem Wasserstoff.“

Univ.-Prof. Dr.-Ing. (habil) Lars M. Blank

Vita

Univ.-Prof. Dr.-Ing. (habil) Lars M. Blank

Univ.-Prof. Dr.-Ing. (habil) Lars M. Blank, geboren 1969, ist Lehrstuhlinhaber für Angewandte Mikrobiologie und Leiter des gleichnamigen Instituts. Er hat an der University of Queensland in Australien promoviert und unter anderem an der ETH Zürich geforscht. Er koordiniert das EU H2020-Projekt „MIX-UP: MIXed plastics biodegradation and UPcycling using microbial communities “ und forscht mit Partnerinnen und Partnern der RWTH Aachen, des Forschungszentrums Jülich und des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion im DFG-Exzellenzcluster „The Fuel Science Center“.


So läuft die zirkuläre Plastikökonomie

Die Kohlenstoffquelle für neues Plastik wird in Zukunft nicht mehr Erdöl sein, sondern nachhaltige Rohstoffe (Biomasse, Kohlenstoffdioxid CO2 und grüner Wasserstoff H2). Zentral ist die Reduktion der benötigten neuen Plastiksynthese, die mittels Wiederverwendung und mechanischem Recycling erreicht wird. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass alles Plastik, was gezielt in die Natur eingebracht wird, wie zum Beispiel Agrarfolien, strikt biologisch abbaubar ist, wobei auch alles andere Plastik, welches über Abrieb oder Vermüllung eingebracht wird, in wenigen Jahren abbaubar sein muss (Notfallabbaubarkeit muss gegeben sein). Entsprechend braucht es an vielen Stellen Forschung und Innovationen, nicht nur klassisch in den Materialwissenschaften, sondern besonders in der Biotechnologie und Mikrobiologie.