Die Plattform REVIERa: Wandel vom Tagebau-Revier zur nachhaltigen Innovationsregion gestalten

Braunkohle wird als Energierohstoff im Rheinischen Revier seit dem späten 17. Jahrhundert genutzt – das prägt die ganze Region, nachhaltig, bis heute. Doch das Ende des größten Braunkohle-Reviers Europas ist beschlossene Sache. Jetzt wird der anstehende Strukturwandel gestaltet – und es wird die größte Baustelle Europas! Die RWTH Aachen, selbst ein Kind des Bergbaus, wird mit aktiv und steuert völlig neue, innovative Methoden bei, um mitendscheidend zum Gelingen des Projektes beizutragen.

Professorin Agnes Förster, Architektin und Stadtplanerin, sieht die RWTH in der Pflicht: Die Aufgabe von Hochschulen bestehe heute nicht nur in Forschung und Lehre, sondern auch darin, sich mit Know-how in der Wissensgesellschaft als regionale Akteurin für Innovationen und Wandlungsprozesse einzubringen. Seit 2019 gestaltet die RWTH diesen Wandlungsprozess im Rheinischen Revier mit – und erforscht ihn zugleich: Die Plattform REVIERa, so der Projektname, bindet zahlreiche Lehrstühle der RWTH ein und hilft, eine methodische Blaupause für schwierige Wandlungsprozesse zu entwerfen.

Das Bestreben ist, den Transformationsprozess in der Region durch maßgeschneiderte Aktivitäten zu unterstützen, insbesondere durch das Bereitstellen von Kommunikationsräumen, aber auch durch eine Indikatorik für erfolgreiche Wandlungsprozesse. Denn solchem Wandel werden sich immer mehr Regionen in immer schnellerem Tempo ausgesetzt sehen, weil Strukturbrüche und Veränderungen durch den beschleunigten Fortschritt zu einer Konstante der Gegenwart werden.
Wie der andauernde Strukturwandel im Ruhrgebiet belegt, ist die Aufgabe, solche Prozesse zu gestalten, keineswegs trivial. Selbst mit einem Masterplan und hohen Investitionen ist ein schneller Erfolg nicht zu garantieren. Der Ansatz von Professorin Förster und der mitwirkenden Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Fakultäten ist daher ein ganz anderer. Förster ist sich sicher, dass zwar Geld, Zeit und Wissen erforderlich sind, die größte Herausforderung aber im menschlichen Handeln liegt.
Dialogisches Handeln ist ein Merkmal ihrer Arbeit. Auch an anderer Stelle. Försters Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung an der RWTH erforscht in enger Kooperation mit der Stadt Aachen im Rahmen des Projekts „Post-Corona-Stadt: Ideen und Konzepte für die resiliente Stadtentwicklung“ die Auswirkungen der Pandemie auf Aachen und welche Herausforderungen und Chancen daraus abzuleiten sind – und aktiv angegangen werden können. Das Ziel lautet, praktische Lösungsansätze vor Ort zu finden. Wie sieht unsere Innenstadt von morgen aus? Was können wir heute schon tun, um hochwertige Aufenthaltsräume und ansprechende Orte in der City zu schaffen? Welche Chancen und Potenziale stecken in den Herausforderungen, die uns die aktuelle Corona-Lage beschert?

Rund um das Rheinische Revier bedarf es einer Vernetzung der Begabungen und Ressourcen – und dafür einer Plattform, auf der sich Akteure und Akteurinnen austauschen, lernen und aktiv werden können. REVIERa folgt einem lernenden Ansatz: Alle Aktivitäten bedürfen einer Rückkopplung mit den Menschen, die selbst aktiv werden und die sich dabei als selbstwirksam erfahren. Nur so wird ein nachhaltiger Wandlungsprozess angestoßen.

Die Plattform, die digital wie analog arbeitet, baut Brücken, transferiert Wissen: Sie vernetzt Forschung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, hoheitliche Akteurinnen und Akteure sowie betroffene Bürgerinnen und Bürger durch Vorträge, Workshops und Veranstaltungen, die für ausgewählte Zielgruppen entsprechend konzipiert werden. Sie lernen von- und miteinander. Investitionen in die Plattform bewirken ein Vielfaches im Raum. Denn die so angestoßenen Rückkopplungen sind fruchtbar – und erzeugen Innovation. Es gibt dabei nur wenige übergeordnete Ziele, etwa die Sustainable Development Goals, und ansonsten viel Freiraum: Das Ergebnis dieses Prozesses ist offen, es entwickelt sich von innen, aus der Aktivität der engagierten Mitwirkenden. Bedürfnisse aus dem Revier und Innovationsthemen der Forschung und Entwicklung werden immer wieder neu verknüpft. Vernetzte, aktive Menschen sind die treibende Ressource.

Das interdisziplinäre Kernteam von Professorin Förster, Professor Stefan Böschen, Inhaber des Lehrstuhls für „Technik und Gesellschaft“ am HumTec der RWTH, angesiedelt an der Philosophischen Fakultät, und Professor Peter Letmathe, Inhaber des Lehrstuhls für Controlling an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, will mit der Gestaltungs- und Forschungs-Plattform REVIERa eine innovative Toolbox für Transformationsprozesse entwerfen: passende Werkzeuge – und mit Netzwerkanalysen die Treiber des Wandels erforschen. REVIERa ist eine einzigartige Chance, dies in einem lebenden Laboratorium, einem Innovations-Ökosystem zu schaffen. So wird erforscht, wie eine selbstwirksame Resonanz-Region nachhaltig zum Wandel befähigt wird. REVIERa ist eine Lernerfahrung und kann Vorbild für andere Regionen werden.

Das Vorhaben von Professorin Förster und ihren Kolleginnen und Kollegen an der RWTH ist hoch innovativ – und hebt sich signifikant von klassischer Wissenschaftsförderung ab. Es bedarf einer Förderung von Menschen, die erfolgreiche Gestaltung von Wandel im Rheinischen Revier ermöglichen und für die Welt erforschen wollen.

Förderoptionen

Mit einer Förderung von 1,5 bis 3 Millionen Euro kann REVIERa innerhalb von drei Jahren zu einer sichtbaren Transferstelle im Rheinischen Revier entwickelt werden. Akteurinnen und Akteure des Wandels werden nachhaltig aktiviert und vernetzt. Die Entwicklung innovativer Methoden umfasst einen Zielekompass mit einer Indikatorik für Wandlungsprozesse, eine interaktive Landkarte und eine App zum Matching von Bedürfnissen, Aktivitäten und innovativen Zukunftsbausteinen aus Forschung und Revier.

Für 5 bis 10 Millionen Euro wird der Prozess auf ein international sichtbares Niveau gehoben, um den Wissensaustausch zwischen Braunkohlerevieren weltweit, insbesondere in China, anzustoßen und diese auf den Wandel vorzubereiten. REVIERa aktiviert und stimuliert Akteurinnen und Akteure sowie Projekte im Revier über einen Zeitraum von zehn Jahren und treibt damit die Entwicklung eines Innovations-Ökosystems unter Einbezug von Schulen, Start-ups, Community-Engagement, Hochschulen und Verwaltung nachhaltig voran.

„In unseren Städten und Regionen haben wir die Verantwortung, greifbare Antworten auf die globalen Herausforderungen zu entwickeln. Nur im Zusammenschluss aller Disziplinen und in der Begegnung mit den Menschen auf Augenhöhe können wir diesen Wandel nachhaltig gestalten“.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Agnes Förster

Vita

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Agnes Förster

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Agnes Förster, 44 Jahre, ist Inhaberin des Lehrstuhls für Planungs­theorie und Stadtentwicklung an der RWTH Aachen. Sie hat an der TU München promoviert und war dort wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Schnittstelle von Architektur, Stadtentwicklung und Regionalökonomie. Förster erforscht und erprobt kommunikative Methoden und Prozesse, die Wandel wirkungsvoll in Gang setzen und Lösungen für zentrale Zukunftsfragen entwickeln und umsetzen. Sie gestaltet und moderiert Dialogprozesse an der Schnittstelle von Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.


So funktioniert die Transformationsplattform REVIERa

Mit REVIERa wurde an der RWTH eine Transformationsplattform geschaffen, die die Player im Rheinischen Revier über die Hochschulgrenzen hinaus zusammenführt, um gemeinsam Lösungen für die anstehenden Herausforderungen im Revier zu entwickeln. Zu Beginn dieses Prozess stand die interne Vernetzung an der RWTH, die überaus erfolgreich initiiert werden konnte. Der Blick wurde dann auf die Lebenswelten im Rheinischen Revier gerichtet, wo gemeinsam mit den Menschen vor Ort Zukunftsbausteine erarbeitet werden, die das Fundament für die partizipative Entwicklung der Region im Zuge des Strukturwandels bilden sollen.