„Frauen am Reiff“ – ein Projekt, das Frauen sichtbar macht.
StudioLab Ivo Mayr

„Frauen am Reiff“ – Weibliche Perspektiven in der universitären Forschung

Ein Ongoing Project des Lehrstuhls für Kunstgeschichte an der Fakultät für Architektur unter der Leitung von Frederike Eyhoff M.A. und Dr. phil. Birgit Schillak-Hammers

„Wir brauchen mehr weibliche Vorbilder in der Architektur.“ Die Studierenden am Reiff Museum, seit jeher Sitz der Fakultät für Architektur an der RWTH Aachen University, sind sich einig: Sie wollen mehr über die Frauen erfahren, die in diesem Beruf erfolgreich waren und sind. Le Corbusier und Co. reichen nur noch bedingt für eine Studierendenschaft aus, die nun seit fast 20 Jahren konstant über 50 Prozent aus Frauen besteht. Mit einer reinen Erweiterung des Kanons um ein paar berühmte Architektinnen ist es nicht getan.

Beschäftigt man sich eingehender mit dem Thema, taucht man zwangsläufig in die eigene Fakultätsgeschichte ein und sieht sich zudem konfrontiert mit einer notwendig historischen Aufarbeitung des Themas „Frauen an deutschen Hochschulen“. Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatten um die Attraktivität im Bereich des akademischen Mittelbaus (#IchBinHanna) kommt man auch nicht umhin, ein Augenmerk auf die strukturellen Gegebenheiten zu legen, die das System Hochschule hinsichtlich ihrer frauenfördernden und frauenunterstützenden Maßnahmen prägen.

#IchBinHanna

Der Twitter-Hashtag #IchBinHanna wurde 2020 in Bezugnahme auf ein Informationsvideo des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ins Leben gerufen. Ziel war und ist es, auf die Auswirkungen des im Video erklärten Wissenschaftszeitvertragsgesetz aufmerksam zu machen. Betroffen ist in der Regel wissenschaftliches und studentisches Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

Auf Grundlage des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes werden Arbeitsverträge an Hochschulen befristet ausgestellt, um regelmäßig Arbeitsplätze im akademischen Mittelbau zur Verfügung stellen zu können. Dabei führt das Gesetz oft dazu, dass Wissenschaftler*innen in immer wieder befristeten Arbeitsverhältnissen dauerhaft in einer unsicheren Situation leben.

Die Wissenschaftscommunity sammelt unter dem Hashtag #IchBinHanna nun Betroffenenberichte, lädt zu Kundgebungen ein und schafft generell eine große Aufmerksamkeit für das Thema.

 

Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Frauen am Reiff“

„Es ist nicht nur wichtig, Professor*innen zu berufen, die eine zeitgenössische Sensibilität für historische und anhaltende Diskriminierungsprozesse aufweisen, sondern auch innerhalb der Lehre weibliche und diverse Beispiele aufzuzeigen.

Es gibt wichtige Architektinnen und ab dem 20. Jahrhundert sowieso, aber sie werden nicht vermittelt. Ebenso muss es auch Pflicht des Lehrplans sein, speziell Architektinnen zu fähigen Geschäftsfrauen und nicht allein guten Entwerferinnen auszubilden, damit endlich auch das Verhältnis männlich und weiblich geführter Büros ausbalanciert wird. Nur so hat auch die Umwelt die Möglichkeit, endlich eine zeitgenössische Prägung zu erhalten.“ [Studentin der Fakultät für Architektur]

Dieser Aufgabe hat sich in den vergangenen zwei Semestern der kunsthistorische Lehrstuhl des Hauses angenommen. Aus gutem Grunde: Immerhin war es eine Kunsthistorikerin, namentlich Frau Prof. Dr. Eleanor von Erdberg-Consten, die 1961 als erste Frau an der Fakultät ordentliche Professorin wurde. Sie bekleidete damals ein noch exotisch anmutendes Fachgebiet und lehrte Themen der Asiatischen Kunst- und Architekturgeschichte. Wenn auch sicherlich die prominenteste, so ist sie bei weitem nicht die einzige Frau in den Anfängen der weiblichen Geschichte der Fakultät.

Mit dem erklärten Ziel, weibliche Perspektiven am Reiff sichtbar zu machen, widmete sich eine Gruppe Studierender unter der Leitung von Frederike Eyhoff und Birgit Schillak-Hammers zwei Semester lang den Frauen an der Architekturfakultät. Im ersten Semester untersuchten sie sowohl die Historie der Frauen am Reiff als auch die Situation der derzeitigen Mitarbeiterinnen. Nach strukturellen, inhaltlichen und methodischen Gesichtspunkten wurde das Wirken von Studentinnen, Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen, Beschäftigten in Technik und Verwaltung wie auch Professorinnen beleuchtet. Eingebettet in einen übergeordneten, wissenschaftlich-feministischen Diskurs haben diese Untersuchungen die spezifischen Hürden sowohl in Bezug auf die akademische Laufbahn von Frauen deutlich gemacht als auch gleichermaßen die bisherigen Erfolge und die noch offenen Aufgaben der Gleichstellungsarbeit aufgezeigt.

Als Abschluss des zweiten Semesters wurden die Ergebnisse dieser ersten wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema „Frauen am Reiff“ in einer von den Studierenden kuratierten Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. Vom 15. bis zum 21.12.2022 waren neben umfangreichen statistischen Daten und beispielhaften Lebensläufen von „Reiff-Frauen“ die Ergebnisse der zahlreichen intensiven Interviews mit Studentinnen, angehenden und etablierten Wissenschaftlerinnen und Professorinnen des Fachbereichs Architektur zu sehen.

Künstlerisch abgerundet wurde das Projekt durch eine Arbeit des Fotografen Ivo Mayr, der auf Wunsch der Seminarteilnehmenden den Frauen am Reiff ein Gesicht gab. Alle momentan am Reiff beschäftigten und studierenden Frauen und Menschen, die als Frauen gelesen werden möchten, wurden eingeladen, sich fotografieren zu lassen. Entstanden sind Porträts in einem dokumentarischen, nicht wertenden Duktus. In einer überlebensgroßen Fotowand vereint, nahmen sie die Fensterfront des Reiff-Foyers ein. Das Projekt hatte bewusst zwei Schauseiten: Das weibliche Gesicht der Architekturfakultät war sowohl innerhalb des Reiff als auch nach außen hin sichtbar.

Auftakt und gleichermaßen Höhepunkt der Ausstellung stellte die Podiumsdiskussion am Eröffnungsabend dar. Im traditionsreichen Hörsaal R5 wurde vor breitem Publikum das Thema „Frauen in der Wissenschaft“ diskutiert. Hierzu eingeladen war als externe Rednerin Karin Hartmann, Vorsitzende der Architektinneninitiative, Architektin und Autorin des Buches „Schwarzer Rolli, Hornbrille“, die sich mit Vertreterinnen der RWTH Aachen University und der Fakultät für Architektur im Gespräch mit den Seminarteilnehmerinnen den Fragen der Zuhörer*innenschaft stellte.

Es konnten konkrete Gründe ausgemacht werden, warum Frauen öfter als Männer die „gläserne Decke“ der Hochschule oder des Architekturberufs nicht durchdringen können. Die in diesem Kontext skizzierten Lösungsansätze bilden eine fruchtbare Grundlage für fortsetzende Projekte, die positiv in die Zukunft blicken lassen. Eine dieser Aufgaben ist es, die Arbeit und die Angebote der Gleichstellung in die eigene Fakultät, in die einzelnen Lehrstühle zu holen und sie auf den jeweiligen Adressatinnenkreis anzupassen.

Impressionen der Ausstellung „Frauen am Reiff“

Fotos: StudioLab Ivo Mayr

Wie geht das Projekt weiter?

Erfreulicherweise hat dieser Gedanke bereits Früchte getragen und im Sommersemester 2023 bietet der Lehrstuhl in Kooperation mit dem Gleichstellungsbüro einen eigens für die Architekturstudentinnen profilierten „Women Career Lunch“ an. Themen wie „Promovieren und Karriereoptionen einer angehenden Architektin“, „Büroleitung als Frau“, „Preise und Wettbewerbe“, „Erfolgreiches Networking“, „Coaching der eigenen Präsentationsfähigkeiten“ und vieles mehr stehen im Portfolio des vielversprechenden Konzepts, welches Ende April startete.

Langfristig ist eine Publikation der bisher unveröffentlichten Ergebnisse angestrebt. Hierfür bedarf es noch ergänzender Recherchen und entsprechender Förderung. Für den Zeitzeuginnenbericht sind die Mitarbeiterinnen des Lehrstuhls für Kunstgeschichte dankbar für jedwede Erinnerung ehemaliger Architekturstudentinnen und am Reiff tätiger Frauen.

Frauen am Reiff

1909: Studium für Frauen auch an der RWTH erlaubt.
1917: Ilse Michalowski gilt als eine der ersten Studentinnen an der Fakultät für Architektur.
1947: Mathilde Röntgen – erste Promotion an der Fakultät für Architektur.
1961: Eleanor von Erdberg-Consten – erste Professorin an der Fakultät für Architektur.
Seit 2004: Anzahl der weiblichen Studierenden an der Fakultät für Architektur liegt konstant über 50 Prozent.

– Autorinnen: Frederike Eyhoff, Birgit Schillak-Hammers