Auszeichnung bei den Reimagine Education Awards 2022
Die VR-Mine – Ein virtuelles Bergwerk für die Rohstoffexperten von morgen
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Verwendung von Energieträgern als politisch-gesellschaftliches Druckmittel zeigen auf dramatische Weise die Bedeutung von Rohstoffen: sowohl für die Bewahrung einer friedlichen und wohlständigen Gesellschaft als auch für den Erhalt einer prosperierenden Wirtschaft. Dieses aktuelle Beispiel der Energieversorgung steht dabei exemplarisch für eine Vielzahl von Rohstoffen, die in unserem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben eine wesentliche Rolle spielen.
Die fehlende Akzeptanz des Rohstoffsektors durch die deutsche Politik und Gesellschaft hat in den letzten Jahrzehnten zu politisch etablierten, Industrie gewollten und öffentlich akzeptierten Rohstoffabhängigkeiten von Ländern wie Russland und China geführt. Trotz allem ist der Rohstoffsektor für die deutsche Gesellschaft bedeutend. In Deutschland bestehen an die 2.700 einzelne Bergwerke, in Europa über 26.000. Allein die deutsche Baustoff-Steine-Erden-Industrie leistet durch die Gewinnung und Verarbeitung von Steine-Erden-Erzeugnissen, insbesondere zu Baustoffen, einen relevanten Beitrag für die Wirtschaftsleistung und Beschäftigung des produzierenden Gewerbes. Für das Jahr 2020 errechnet sich eine direkte Bruttowertschöpfung in Höhe von rund 11,1 Mrd. Euro durch die Herstellung von Steine-Erden-Erzeugnissen. Die Gesamtbeschäftigung der Baustoff-Steine-Erden-Branche bemisst sich auf rund 150.000 qualifizierte Arbeitsplätze, 6.000 kleine, mittlere und große Betriebe, sowie 39 Mrd. Euro Umsatz pro Jahr. Auch die deutsche Bergbauzulieferindustrie steht technologisch an der Weltspitze. Hier finden sich an die 150 Hersteller von Bergbaumaschinen mit rund 14.000 Beschäftigten.
Die Ausbildung der Rohstoffexperten von morgen
Somit hat die Ausbildung von Bergbauingenieur*innen nach wie vor eine hohe Relevanz. Die Studiengänge der nachhaltigen Rohstoff- und Energieversorgung (B.Sc.) und des Rohstoffingenieurwesens (M.Sc.) der RWTH vermitteln Inhalte, die sich mit der nachhaltigen und verantwortungsvollen Gewinnung und Verarbeitung mineralischer Rohstoffe auseinandersetzen. Die Herausforderungen in der Lehre bestehen dabei insbesondere in der Übertragbarkeit von theoretischem Wissen auf die praktische Anwendung. Der hierfür notwendige Zugang zu aktiven Bergwerken ist oft aufgrund ihrer Abgelegenheit und den hohen Sicherheitsanforderungen, die sich aus dem betrieblichen Umfeld ergeben, eingeschränkt. Darüber hinaus ist es für Studierende schwierig, sich die komplexen dreidimensionalen Zusammenhänge in untertägigen Bergwerken vorzustellen.
Der Einsatz digitaler Technologien ist mittlerweile fester Bestandteil vieler Lehraktivitäten der RWTH Aachen University. Mit dem Virtual-Reality-Bergwerk (VR-Mine), einer technischen Entwicklung der RWTH, setzt das Institute of Mineral Resources Engineering (MRE) ein virtuelles Bergwerk ein, um Studierenden des Rohstoffingenieurwesens aufgabenorientiertes und praxisnahes Lernen zu ermöglichen. Das VR-Mine erlaubt es Studierenden mit einer VR-Brille ein interaktives VR-Modell eines Bergwerks zu besuchen, welches dem Scheelit-Bergwerk in Mittersill, Österreich, nachempfunden ist. Die Studierenden können sich frei in der virtuellen Umgebung bewegen, mit Objekten interagieren und Aufgaben lösen. Dabei werden sie von einem digitalen Bergmann begleitet und erhalten so Feedback, erweiterte Informationen in Form von 360°-Videos und Hinweise zu den gestellten Aufgaben. Die einzelnen Aufgabenstellungen sind in ein didaktisches Lehrkonzept eingebettet, welches von Erklärungen bis zum eigenständigen Durchführen des jeweiligen Lerninhalts reicht. Die VR-Mine erreicht damit im Vergleich zu traditionellem Frontalunterricht eine höhere Motivation und bessere Lernerfolge bei den Studierenden.
Erfolg bei den Bildungs-Oscars 2022
Die VR-Mine wurde bisher an der RWTH Aachen im M.Sc. Rohstoffingenieurwesen, dem M.Sc. European Mining Course (EMC) und dem B.Sc. Nachhaltige Rohstoff- und Energieversorgung eingebunden. Außerdem wird sie an der Tallin University of Technology (Estland) und Montanuniversität Leoben (Österreich) genutzt. Die VR-Mine wurde darüber hinaus auf Konferenzen vorgestellt und die Ergebnisse in mehreren wissenschaftlichen Artikeln veröffentlicht, was auf großes Interesse gestoßen ist. Von European Institute of Innovation & Technology (EIT) Raw Materials wurde die VR-Mine als Success-Story ausgezeichnet.
Eine besondere Auszeichnung erhielt das Team des Institute of Mineral Resources Engineering mit der VR-Mine mit dem zweiten Platz bei den Reimagine Education Awards 2022. Professor Bernd Lottermoser, Direktor des Instituts, versteht diese Auszeichnung als Beweis für die Kreativität und Innovationskraft „Made in Aachen“:
„Über 5 Jahre ist hier ein preiswürdig originäres digitales Tool für unsere Lehre entstanden, und ausdrücklich lobend erwähnen möchte ich meine Mitarbeiter. Komplexität darzustellen, nicht auszuufern, komplizierte Themen aber auch nicht unzulässig zu verkürzen und für unterschiedliche Geschmäcker unterschiedliche Ansätze anzubieten, das ist gerade in der Hochschullehre der Ingenieurswissenschaften das Thema.“
Mit den Reimagine Education Awards wurden von der Wharton School/Business School der University of Pennsylvania (USA) und QS Quacquarelli Symonds – den Herausgebern der World University Rankings – die innovativsten und effektivsten Lehr- und Lernansätze ausgezeichnet. Die Reimagine Education Awards gelten als Oscars des Bildungssektors und bieten dem globalen Hochschulwesen eine Plattform, um herausragende pädagogische Innovationen identifizieren und würdigen zu können. Mit über 500 internationalen Juror*innen sowie einer 25-köpfigen Grand Jury erhalten die Gewinner*innen die eindeutige Anerkennung von Bildungsexpert*innen aus aller Welt. Mit seinem Projekt VR-Mine belegte das Team des Institute of Mineral Resources Engineering in dem Wettbewerb mit rund 1.200 Bewerbungen aus 77 Ländern den zweiten Platz in der Kategorie Immersive Experiential Learning.
– Autoren: Yannick Feldmann, Nils Schlatter, Bernd Lottermoser