Nur eine Atomschicht „dick“: das Wundermaterial Graphen

Dazu würde auch die Forschung von Professor Max Lemme beitragen, der an einem Material forscht, aus dem viel bessere Chips gebaut werden könnten als heutzutage. Es heißt Graphen. Dieses Graphen kann man sich wie den Grafit eines Bleistifts vorstellen, der wie ein Spielkartenhaufen zusammengepresst wurde. Jede Spielkarte davon wäre hauchdünn. Und alles andere als Spielerei. Lemme trägt mit seiner Graphen-Forschung tatsächlich zur Entwicklung einer ganz neuen Werkstoffklasse bei: die sogenannten 2D-Werkstoffe, die aus nur einer Ebene bestehen, welche lediglich eine Atomlage dick ist. „Diese neuen Materialien haben faszinierende Eigenschaften für die Chip-Industrie: Sie sind unglaublich leitfähig, transparent, flexibel, undurchlässig für Moleküle – Graphen ist das festeste Material der Welt“, erläutert der Professor für Elektronische Bauelemente. Solche Materialforschung ist ein Schlüssel zu zukünftigen Rechnerstrukturen, um für spezifische Anwendungen das perfekte Material auszuwählen. Und genau hier hat sein Kollege Professor Matthias Wuttig, Leiter des I. Physikalischen Instituts (IA), bereits Herausragendes geleistet.

Seit Jahrzehnten war vorherrschend Lehrmeinung in der Chemie, dass es nur fünf verschiedene Verbindungsformen von Elementen gibt. ERC-Preisträger Wuttig hat eine sechste entdeckt: metavalente Bindungen. Er will dieser Erkenntnis zum Durchbruch verhelfen, die einen Paradigmenwechsel in der Chemie darstellt – und im Materialdesign einer Revolution gleichkommt. Denn Wuttig hat mit Experimenten und Theoriebildung eine Art Schatzkarte entworfen, mit deren Hilfe er Auskunft darüber geben kann, welche Materialverbindungen für bestimmte Anwendungen die allerbesten sind. Und ganz einfach gesagt und jeden Tag erlebbar: was Atome in Festkörpern überhaupt zusammenhält.

Eine Bestätigung seiner Forschung findet er in der Angewandten Informatik. Seine ersten Materialmodelle für besonders schnelle Prozessoren decken sich mit den Erkenntnissen der Informatikerinnen und Informatiker. Mit der Schatzkarte kann er beispielsweise berechnen, dass noch 200 Prozent Leistungssteigerung mit bestimmten Materialveränderungen möglich sind. Das bedeutet einen Riesenfortschritt, da bisher nach dem Modell „cook and look“ deutlich weniger zielgerichtet und damit aufwendiger experimentiert werden musste. Immense Arbeitsersparnisse für Experimente bringen auch seine Ausschlusskriterien: Er kann vorhersagen, welche Materialien nicht sinnvoll oder gar kontraproduktiv für bestimmte Anwendungen sind.

Seine Schatzkarte reduziert Wuttig keineswegs auf Anwendungen in der Informatik. Sie ist grundlegend und für den Einsatz aller Materialverbindungen anwendbar. Diese Schatzkarte soll einen gesellschaftlichen Nutzen haben, der gigantisch sein wird. Für die Verfeinerung dieser Schatzkarte als auch für weitere Beweisführungen in angrenzenden Bereichen sucht der Wissenschaftler noch eine Förderung von 3 Millionen Euro – um den Paradigmenwechsel in der Chemie ins Lehrbuch für Anfänger zu bringen und die Anwendung in die Praxis der Materialforschung, mit hohen Effizienzgewinnen in der Herstellung sämtlicher Güter.